Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
Strähnen entdeckt. Nicht weiter überraschend angesichts der Tatsache, dass Jeremy zweiundfünfzig war. Werwölfe altern langsam – Jeremy sah aus wie Mitte dreißig –, und wahrscheinlich wäre das erste Grau schon viel früher fällig gewesen, aber trotzdem hatte ich ihn hemmungslos damit aufgezogen. Bei Jeremy musste man jede Schwäche ausnutzen. Er hatte einfach zu wenig davon.
Als er mich schließlich entdeckte, verzogen sich seine Lippen zu der Andeutung eines Lächelns, und dann nickte er, blieb stehen und wartete darauf, dass ich zu ihm hinging. Typisch.
»Okay«, sagte ich, als ich ihn erreicht hatte. »Sag mir, dass ich überreagiert habe.«
Er nahm mir die Tasche ab. »Mit Sicherheit nicht. Das war viel besser als, sagen wir, nicht sofort anzurufen, sobald du über diese Frauen Bescheid wusstest.«
»Tut mir Leid.«
Er winkte ab. »Jetzt haben wir die Lage unter Kontrolle. Wir gehen direkt nach Vermont. Ich habe unsere Taschen gepackt. Ich würde es nicht für ratsam halten, nach Stonehaven zurückzufahren, bevor wir nicht mehr über diese Bedrohung wissen.«
»Wir gehen also zu dem Treffen?«
»Etwas anderes bleibt uns nicht übrig. Diese He… Frauen scheinen sämtliche Antworten zu haben.«
»Wir wollen also nur Informationen von ihnen, wir wollen uns ihnen nicht anschließen?«
Jeremy lachte leise. »Du hörst dich erleichtert an. Keine Sorge, Elena. Das Rudel braucht keine Hilfe von Außenseitern.«
»Ich habe versucht, Clay vom Flughafen aus anzurufen, aber er war nicht da. Ich hab ihm eine Nachricht hinterlassen, dass wir mit ihm reden müssen. Soll ich’s jetzt noch mal probieren?«
»Er hat die Nachricht gekriegt und zu Hause angerufen. Ich habe ihm erzählt, was passiert ist. Ich halte es für das Beste, wenn er diesem Treffen fern bleibt. Ich bezweifle, dass er seine besten Manieren mitbringen würde.«
»Ich seh’s richtig vor mir. Er würde in dieses Treffen stürmen, Antworten verlangen und damit drohen, irgendwen zum nächsten Fenster rauszuwerfen, wenn die Antworten nicht schnell genug kommen. Und das wären dann seine besten Manieren.«
»Genau. Nicht gerade die Art und Weise, wie ich mich bei diesen Leuten einführen will. Also habe ich die Gefahr heruntergespielt und ihm gesagt, dass wir beide das auch allein erledigen können. Ich halte ihn auf dem Laufenden, und wenn es Schwierigkeiten gibt, kann er immer noch dazustoßen.«
»Was ist mit Nick und Antonio? Die sind die nächsten zwei Wochen doch noch in Europa?«
»Die nächsten drei«, sagte er. »Ich habe Tonio angerufen und ihm gesagt, er soll sich bereithalten. Wenn wir sie brauchen, sagen wir Bescheid. Ansonsten ist Europa vielleicht der beste Ort für die beiden, auch dann, wenn sich dies als eine wirkliche Bedrohung herausstellt. Dort sind sie außer Gefahr.«
»Dann sind wir also nur zu zweit?«
Wieder ein leises Lachen. »Ich bin sicher, wir werden’s überleben.«
Wir übernachteten in einem Cottage in Vermont, das Jeremy gemietet hatte. Trotz der Urlaubssaison hatte er es fertig gebracht, ein Häuschen zu finden, dessen ursprünglich vorgesehene Mieter im letzten Moment storniert hatten. Es lag nicht nur in einer abgeschiedenen Waldgegend, es übertraf die Bezeichnung »brauchbar« und stellte sich als fast perfekt heraus – ein Chalet an einem See, weitab vom Urlaubsverkehr. Ich hätte uns mit etwas Glück ein Zimmer in einem drittklassigen Motel an der Autobahn besorgen können. Es sah Jeremy ähnlich, uns noch für diesen Abend ein privates Paradies verschafft zu haben.
Das Treffen fand in Sparta, Vermont statt. Während der Fahrt hatte Jeremy Ruth auf dem Handy angerufen und ihr mitgeteilt, wir würden am Montag da sein, obwohl das Treffen schon am Sonntag begann. In Wirklichkeit hatten wir vor, bereits am Sonntag aufzutauchen, aber er hielt die Lüge für hilfreich. Wenn das Ganze eine Falle war, würden wir diese Leute durch unser frühzeitiges Auftauchen immerhin aus dem Konzept bringen.
Als Pittsburgh mit jeder Stunde weiter im Hintergrund meiner Gedanken versank, kehrte meine Skepsis zurück. Was hatte ich denn wirklich gesehen? Nichts, das ein gutes Ensemble von Bühnenzauberern nicht auch hätte bewerkstelligen können. Tarnzauber und teleportierende Dämonen? Ganz bestimmt. Im hellen Tageslicht hörte sich derlei lächerlich an. Trugbilder der Nacht und meiner Nervosität. Es war viel wahrscheinlicher, dass dies wirklich eine Falle war, eine intelligente, aber sehr menschliche Falle.
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