Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
Journalistin.«
Wie viel hatten Ruth und Paige den anderen eigentlich über mich erzählt?
»Kommt auf den Typ Journalistin an«, sagte ich. »Ich schreibe über Politik und Soziales. Ausschließlich gesellschaftliche Fragen. Sehr wenig Matschwühlerei und persönliche Angelegenheiten.«
»Du vermeidest also persönliche Fragen. Wahrscheinlich, weil du nicht willst, dass jemand zurückfragt. Wenn du neugierig bist, kannst du fragen. Mich stört es nicht.«
»Okay«, sagte ich … und fragte nichts.
Nach ein paar Minuten des Schweigens kam ich zu dem Schluss, dass ich sie wohl wirklich etwas fragen sollte. Nicht einfach irgendwas, sondern die Große Frage. Schließlich hatte ich sie direkt vor der Nase, in Gestalt von Cassandras kaum berührtem Teller.
Ich zeigte auf ihr Abendessen. »Huhn ist also nicht so deine Sache.«
»Feste Nahrung ganz generell. Ich kann ein paar Bissen essen, aber mehr als das, und ich kriege scheußliche Magenbeschwerden.«
Sie wartete; ihr Gesicht war ausdruckslos, aber in den Augen schimmerte ein Lächeln.
»Es hat gar keinen Zweck zu fragen, oder?«, sagte ich, während ich einen Schluck Wein trank. »Zu fragen, ob Vampire – du weißt schon – das wäre, als fragte man, ob Werwölfe sich in Wölfe verwandeln. Es ist das entscheidende Merkmal der Spezies.«
»In meinem Fall hättest du da aber tatsächlich Unrecht. Ich weiß, ich weiß, man liest so viele Geschichten darüber. Aber sie sind einfach nicht wahr. Ich schlafe ganz sicher nicht in einem Sarg.« Sie machte eine Pause und zog dann die Brauen hoch. »Ach – das war es nicht, was du gemeint hast?«
»Ich habe gemeint, du trinkst ganz offensichtlich …« Ich deutete auf mein Weinglas.
»Burgunder? Ich ziehe Weißwein vor. Ja, ich kann Wein trinken. Dem Himmel sei Dank für die kleinen Freuden des Lebens. Es ist nur feste Nahrung, von der ich Verdauungsbeschwerden bekomme. Darf ich dir auf die Sprünge helfen, Elena? Ich glaube, das Wort, nach dem du suchst, ist ›Blut‹.«
»Stimmt, das war es. War mir im Moment gerade entfallen.«
Sie lachte, ein kehliges Lachen, das den Kellner, der gerade in den Hof hinaustrat, zusammenfahren ließ. Wir bestellten Wein nach und warteten, bis er wieder fort war.
»Wie macht man das heutzutage?«, fragte ich. »Lässt du es dir von der Blutbank liefern?«
»Ich fürchte, nein.«
»Eine Vereinbarung mit dem Metzger deines Vertrauens?«
»Dazu hätten die Lebensmittelkontrollbehörden wahrscheinlich einiges zu sagen. Bedauerlicherweise sind wir darauf angewiesen, uns unsere Mahlzeiten auf die althergebrachte Weise zu besorgen.«
»Ah.«
»In der Tat, ah«, sagte sie mit einem weiteren Lachen. »Ja, ich trinke direkt an der Quelle. Aber es gibt ein paar Regeln dabei. Keine Kinder. Überhaupt niemand unter dreißig. Das ist einfach fairer.«
»Habe ich erwähnt, dass ich achtundzwanzig bin?«
»Da habe ich aber etwas anderes gehört.« Sie grinste. »Kein Grund zur Besorgnis. Die guten Manieren verbieten uns, das Blut von jemandem zu trinken, der uns offiziell vorgestellt wurde.«
Sie schnitt ein paar Stücke von ihrem Huhn ab und schob sie auf dem Teller herum. »Um ehrlich zu sein, ich habe es mit Tierblut und Blutbanken versucht. Es funktioniert nicht. Das ist, als müsste man sich von Brot und Wasser ernähren. Wir können so existieren, aber nur mit Mühe und Not. Manche tun es trotzdem. Ich bin zu egoistisch dazu. Wenn ich lebe, will ich richtig leben. Die einzige Entschuldigung, die ich anführen kann, ist diese: Ich versuche mir diejenigen auszusuchen, die den Tod begrüßen. Die Alten, die Kranken, die Selbstmordkandidaten. Ich mache mir da selbstverständlich etwas vor. Ich kann spüren, wenn jemand sterben will, aber ich kann nicht feststellen, ob er wirklich gleich auf ein Hochhausdach klettert oder bloß eine vorübergehende Depression hat, weil eine Affäre zu Ende gegangen ist.
Das Leben wäre so viel einfacher, wenn wir bei der Wiedergeburt unsere Seelen verlören. Wenn wir die Fähigkeit zu empfinden zurücklassen könnten, die Fähigkeit, Recht und Unrecht zu unterscheiden. Aber ich nehme an, deshalb nennen sie es ja einen Fluch. Wir wissen immer noch, was wir tun.«
»Aber ihr habt keine Wahl.«
»Oh, eine Wahl hat man immer. Die Selbstvernichtung. Manche tun’s. Die meisten ziehen es in Betracht, aber der Überlebenswille ist letzten Endes zu stark. Wenn es auf eine Entscheidung zwischen dem Tod des anderen oder meinem eigenen rausläuft, dann
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