Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
raus.
»Spielzeugtiere«, sagte ich, als er endlich wieder auftauchte.
»Richtig. Clay hatte Probleme mit den anderen Kindern in der Schule. Ich nehme an, davon weißt du.«
Ich nickte. »Er hat nicht dazugehört und hat’s auch nicht versucht. Klein für sein Alter. Antisozial. Der Akzent hat es nur noch schlimmer gemacht. Das ist mir aufgefallen, als ich ihn kennen gelernt habe. Er lebte angeblich schon seit zwanzig Jahren im Staat New York, aber angehört hat er sich, als wäre er eben erst aus dem Zug aus Louisiana ausgestiegen. Er hat gesagt, als er ein Kind war, hätten die anderen Kinder sich über seinen Akzent lustig gemacht. Also hat er ihn beibehalten. Clays verdrehte Logik.«
»Alles, nur um anders zu sein. Also, nach der Katastrophe mit dem Meerschwein habe ich ihn bis zum nächsten September zu Hause unterrichten lassen, dann habe ich ihn auf eine andere Schule geschickt und den Rektor gebeten, mir Bescheid zu sagen, wenn es Probleme mit seinem Verhalten geben sollte. Ich schwöre, ich muss drei Nachmittage pro Woche in irgendwelchen Lehrersprechstunden verbracht haben. Meist waren es Kleinigkeiten, aber eines Tages hat der Lehrer erzählt, Clay mache während der Pausen Ärger. Die anderen Kinder haben sich beschwert, weil er ihnen überallhin gefolgt ist, sie beobachtet hat, solche Sachen eben.«
»Er hat sie belauert«, sagte ich. »Ihre Schwächen rausgefunden.«
»Genau das. Nun habe ich mir keine Sorgen gemacht, dass er irgendwas tun würde. In dieser Sache war ich sehr deutlich geworden. Man frisst seine Mitschüler nicht.« Jeremy verdrehte die Augen. »Andere Eltern warnen ihre Kinder davor, mit Fremden zu reden. Ich musste meins dazu erziehen, sie nicht zu fressen. Wie dem auch sei, der Lehrer hat mir erzählt, Clay zeigte keinerlei Interesse an normalen Pausenaktivitäten, zum Beispiel daran, mit Spielzeug zu spielen. Spielzeug. Ich hatte doch gewusst, da war irgendwas, auf das ich hätte kommen müssen. Clay war das unkindlichste Kind, dem ich je begegnet war; also habe ich vergessen, dass er eigentlich kindliche Dinge tun sollte. Nach der Besprechung bin ich geradewegs zum Spielzeugladen gefahren und habe tütenweise Spielsachen gekauft. Er hat sie samt und sonders ignoriert … alle außer diesem Satz Plastiktiere – Kühe, Pferde, Schafe, Rehe, Kamele und so weiter. Die hat er mit in sein Zimmer genommen und ist stundenlang dort geblieben. Ich habe mir schon zu meinem Einfühlungsvermögen gratuliert – ich dachte, die Tiere gefielen ihm, weil er eine Art Verwandtschaft zu ihnen verspürte. Dann habe ich das Buch gefunden.«
Jeremy legte eine Kunstpause ein.
»Welches Buch?«, fragte ich, weil ich wusste, dass es von mir erwartet wurde.
» Gibson’s Guide to Animal Anatomy . Er hatte es aus der Schulbibliothek gestohlen und ein paar Seiten mit Eselsohren gekennzeichnet. Also habe ich mir die Plastiktiere näher angesehen. Sie waren alle mit strategisch platzierten roten Kreuzen markiert.«
»Die lebenswichtigen Organe«, sagte ich. »Für die Jagd.«
»Genau.«
»Und was hast du getan?«
»Ich habe ihm einen langen Vortrag über das Stehlen gehalten und ihm gesagt, er solle das Buch sofort zurückbringen.«
Ich warf den Kopf zurück und lachte. Jeremy legte mir den Arm um die Taille, eine seltene Geste, die ich genoss, solange ich die Gelegenheit hatte.
»Wie wäre es, sollen wir rennen gehen?«, fragte er nach ein paar Minuten. »Wir könnten ein bisschen Stress abbauen nach so einem Tag.«
Ich wurde allmählich müde, aber ich hätte es nie ausgesprochen. Werwölfe rennen am liebsten in der Gruppe – der Rudelinstinkt. Wie in so vielen Dingen war Jeremy auch hier anders. Sobald er die Wandlung einmal hinter sich hatte, zog er die Einsamkeit vor. Manchmal schloss er sich uns zu einer Rudeljagd an, aber um einfach zu rennen, brauchte er kaum je einen Partner. Wenn er es mir also anbot, hätte ich vor Müdigkeit kurz vor dem Umfallen sein können und trotzdem nicht abgelehnt.
Wir machten uns auf in den Wald, wobei wir auf dem Pfad blieben, bis wir weit genug gekommen waren, um uns nach einem Ort für die Wandlung umsehen zu können. Wir hatten es etwa fünf Meter zwischen die Bäume geschafft, als Jeremy sich umdrehte und über meine Schulter starrte.
»Was?«, fragte ich.
»Autoscheinwerfer oben an der Zufahrt«, murmelte er.
Die Zufahrt führte von der Straße steil abwärts zu unserem Cottage. Von uns aus gesehen war das Auto also oben auf dem Hügel, und
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