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Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin

Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin

Titel: Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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konnte den Kopf nicht heben. Ich konnte den Mund nicht öffnen. Ich konnte nichts tun, als diese blöde Wand anzustarren, und wenn Überlegungen zum Thema Farbe meine Nerven schonten – okay, sei’s drum.
    Taupe. Ja, ich war mir ziemlich sicher, dass es Taupe war. Meine Oberlippe prickelte, als ließe die lokale Betäubung bei einem Zahnarztbesuch nach. Ich rümpfte die Nase. Eine leichte Bewegung. Ein Geruch. Frische Farbe. Na wunderbar. Schon wieder das Thema Renovieren. Ich atmete tiefer ein. Nur Farbe; der Geruch war so stark, dass er alles andere überdeckte. Nein, warte. Etwas anderes mischte sich mit dem Farbgeruch. Etwas Vertrautes. Etwas … Blut. Meins? Ich schnüffelte wieder. Nicht meins, wobei das nicht sonderlich beruhigend war. Als ich die Augen nach oben verdrehte, entdeckte ich dunkle Spritzer unter einer hastig aufgetragenen Farbschicht. Blutbespritzte Wände. Kein gutes Zeichen.
    Ich schnitt eine Grimasse. Alle Gesichtsmuskeln funktionierten. Fantastisch. Wenn mich jetzt jemand angriff, konnte ich ihn beißen, vorausgesetzt, er war so hilfsbereit, mir irgendeinen relevanten Körperteil zwischen die Zähne zu schieben. Das Prickeln breitete sich den Hals hinab aus. Ich sah auf. Weiße Decke. Entfernter Lärm. Stimmen. Nein, eine Stimme. Redete jemand? Ich horchte und hörte das aufgedrehte Gebabbel eines Musikmoderators. Nach einer rekordverdächtigen Übung in Umständlichkeit verstummte er. Eine Gitarre schrummte aus dem fernen Radio. Countrymusik. Verdammt – sie fingen jetzt schon mit der Folter an.
    Hand und Arm ließen sich bewegen. Halleluja. Ich grub die Ellenbogen ins Bett, stemmte den Oberkörper hoch und sah mich um. Vier Wände. Drei davon in Taupe. Die Vierte verspiegelt. Einwegglas. Na wunderbar. Zu meinen Füßen ein Badezimmer. Ich konnte die Toilette sehen, nicht durch die Tür, sondern durch die vordere Wand, die aus Klarglas bestand. Die Spannerei auf dem Grundschulklo musste bei irgendwem einen wirklich bedenklichen Fetisch hinterlassen haben.
    Weitere Gerüche. Eine Frau. Der Raum war erfüllt von ihrem Geruch. Das Bett, auf dem ich lag, war mit frischen zitronenduftenden Laken bezogen, aber der Geruch der anderen Frau hatte sich in der Matratze festgesetzt. Eine vertraute Note. Jemand, den ich kannte? Die Frau, die mich betäubt hatte? Nein. Jemand anderes. Dann klickte es. Ich erkannte den Geruch, weil er die gleichen Noten hatte wie der Geruch des Blutes an der Wand. Nicht die beste Art, eine neue Bekanntschaft zu machen, und nach der Anzahl der dunklen Spritzer unter der Farbe zu urteilen war eine persönliche Begegnung eher unwahrscheinlich. In diesem Leben jedenfalls.
    Moment. Ich hatte Hüften. Okay, nicht wirklich – der schlackernde Hintern meiner Jeans bewies mir regelmäßig das Gegenteil. Ich meine damit, meine anatomisch vorhandenen, kurvenfreien Hüften waren spürbar und beweglich. Dann die Beine. Ja! Ich schwang die Beine über die Bettkante und kippte nach vorn auf den Boden. Okay, die Beine waren also noch nicht ganz da. Immerhin, netter Teppich. Industriequalität, eine gefällige Mischung aus Grau und Braun, fantastisch dazu geeignet, die lästigen Blutflecken zu verbergen.
    Nach ein paar Minuten brachte ich es fertig, mich auf die Beine zu kämpfen. Ich sah mich um. Was jetzt? Angenommen, dies waren dieselben Leute, die den Schamanen entführt hatten – dann müsste es in den benachbarten Zellen eigentlich noch mehr Gefangene geben. Vielleicht konnte ich Kontakt mit ihnen aufnehmen.
    »Hallo?«, sagte ich. Dann noch einmal und lauter: »Hallo?«
    Keine Antwort. Die Wände waren zweifellos zu dick für geflüsterte Gefängnisunterhaltungen. Selbst die Luft, die aus der dreißig Zentimeter großen quadratischen Deckenöffnung kam, roch gefiltert und gereinigt. Andererseits, wenn ich ein Radio hören konnte … Ich sah mich nach einem Lautsprecher um. An der Tür war eine Sprechanlage eingebaut, aber die Musik klang nicht blechern, also wurde sie wahrscheinlich nicht absichtlich hierher geleitet. Während ich noch horchte, fing ich ein Brüllen auf – eine heisere Stimme, die kaum verständliche Flüche schrie. Ich versuchte die Entfernung abzuschätzen. Sehr gedämpft, wahrscheinlich über fünfzehn Meter entfernt. Sie hatten eine ordentliche Schalldämpfung hier, aber werwolfsicher war sie nicht.
    Als der Brüller seinen Stimmbändern eine wohl verdiente Pause gönnte, hörte ich Kratzgeräusche. Ratten? Mäuse? Nein, die würde ich riechen.

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