Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
hindurchzusehen. Ich hätte auch in einen Spiegel sehen können. Ich sah ein seitenverkehrtes Abbild meiner eigenen Zelle. Nur dass diese leer war. Oder jedenfalls so wirkte. Ich erwog, durch die Öffnung zu rufen, aber ich hatte nicht gehört, dass der Notizenmacher weggegangen wäre, und es hatte keinen Zweck, mit einem potentiellen Mitgefangenen zu reden, solange ich Publikum hatte. Also wartete ich.
Zwanzig Minuten vergingen. Dann ging klickend die Sprechanlage an.
»Mein Name ist Doctor Lawrence Matasumi«, sagte ein Mann in absolut akzentfreiem Englisch – die Sorte Aussprache, die man eigentlich nur bei den Moderatoren überregionaler Nachrichtensendungen hört. »Ich würde mich jetzt gern mit Ihnen unterhalten, Ms. Michaels.«
Als ob das seine Idee gewesen wäre.
»Bitte gehen Sie ins Badezimmer, klappen Sie den Toilettensitz nach unten, setzen Sie sich mit dem Gesicht zur Wand auf die Toilette, strecken Sie die Arme nach hinten und drehen Sie den Kopf erst auf unsere Anweisung hin.«
Irgendwie brachte er es fertig, dass diese grotesken Vorschriften vollkommen vernünftig klangen. Ich erwog eine patzige Antwort, beschloss dann aber zu verzichten. Er hörte sich nicht an wie ein Mann, der Kloschüsselhumor zu schätzen wusste.
Als ich auf dem Klo saß, öffnete sich die vordere Tür mit einem Zischen wie bei einer Vakuumdichtung. Schritte kamen näher. Ein Paar Straßenschuhe, ein Paar niedrige Absätze und zwei – nein, drei – Paar Stiefel.
»Bitte drehen Sie den Kopf nicht«, sagte Matasumi, obwohl ich mich nicht bewegt hatte. »Lassen Sie die Hände ausgestreckt. Ein Wachmann wird das Bad betreten und Ihnen die Hände im Rücken fesseln. Bitte leisten Sie keinen Widerstand.«
Er war so höflich, wie hätte ich mich nicht darauf einlassen können? Vor allem in Anbetracht des doppelten Schnappgeräuschs, mit dem zwei Waffen entsichert wurden. Jemand kam ins Bad und griff nach meinen Händen; die Berührung war fest und unpersönlich – einfach nur mein Job, Ma’am. Er zog meine Arme zusammen und legte mir kalte Metallbänder um die Handgelenke.
»Der Wachmann wird Sie jetzt in den Wohnraum führen. Sie können sich auf den angebotenen Stuhl setzen. Wenn Sie bequem sitzen, wird der Wachmann Ihre Arme und Beine am Stuhl befestigen.«
Okay, jetzt wurde es wirklich etwas ermüdend.
»Sind Sie sicher, dass er das mit den Füßen nicht vorher erledigen sollte?«, fragte ich. »Und mich dann über die Schulter werfen und hintragen?«
»Bitte stehen Sie von der Toilette auf und begeben sich in den Wohnraum.«
»Darf ich jetzt gucken?«, fragte ich. »Vielleicht sollten Sie mir die Augen verbinden?«
»Bitte begeben Sie sich in den Hauptraum.«
Himmel, der Typ war wirklich unheimlich. Als ich das Bad verließ, sah ich den Mann von Paiges Foto, klein und rundgesichtig; die Rehaugen musterten mich ausdruckslos. Links von ihm eine junge Frau mit stachelig nach oben stehendem weinrotem Haar und einem Diamantstecker in der Stupsnase. Sie hielt den Blick auf mein Kinn gerichtet, als wollte sie nicht weiter aufblicken. Beide saßen auf Stühlen, die fünf Minuten zuvor noch nicht da gewesen waren. Zu beiden Seiten standen zwei Wachleute, wieder militärische Typen. Wie der Typ, der mich begleitete, steckten sie in Overalls, trugen das Haar kurz geschnitten, hatten Schusswaffen und sahen durchtrainiert genug aus, um einem Star der World Wrestling Federation eine ordentliche Tracht Prügel zu verpassen. Sie starrten mich mit einem so leeren Gesichtsausdruck an, dass man hätte meinen können, sie bewachten die Stühle statt lebender Personen. Ich fing den Blick von einem davon auf und versuchte es mit einem scheuen kleinen Lächeln. Er zuckte nicht mit der Wimper. So viel zum Thema »die Wachmänner verführen«. Mist. Dabei sahen sie so niedlich aus … auf diese automatenhafte, erstarrte Art.
Als ich saß, befestigte mich mein Begleiter mit Hand- und Fußeisen am Stuhl.
Matasumi studierte mich mindestens drei Minuten lang, dann sagte er: »Bitte nutzen Sie diese Gelegenheit nicht zu einem Fluchtversuch.«
»Oh.« Ich sah auf die Metallbänder hinunter, die meine Handgelenke und Knöchel am Stuhl befestigten, dann zu dem Trio bewaffneter Wachmänner hinüber. »War wohl nichts mit dem Plan.«
»Gut. Und jetzt, Ms. Michaels, werden wir die Verweigerungsphase einfach überspringen und die Diskussion mit der Prämisse beginnen, dass Sie ein Werwolf sind.«
»Und wenn ich diese Prämisse
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