Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
Außerdem, meine Zelle war bemerkenswert sauber, so steril wie eine McDonald’s-Küche, wenn der Wirtschaftskontrolldienst angemeldet vorbeikommt. Ich drehte den Kopf, um die Quelle des Geräuschs zu finden. Es kam aus dem Gang. Kratz, kratz, Pause, kratz, kratz, kratz, raschel. Das Rascheln von Papier. Jemand hob ein Blatt an, blätterte es um, dann wieder kratz, kratz – ein Stift auf Papier. Draußen vor meiner Zelle schrieb jemand etwas. Ich stand auf, wandte dem Gang den Rücken zu, tat drei Schritte und fuhr dann herum. Das Geräusch brach ab. Ich bleckte die Zähne, fauchte, legte den offenen Mund fast an die verspiegelte Wand und angelte nach einem fiktiven Essensrest zwischen meinen Zähnen. Hektisches Gekritzel. Okay, jetzt wusste ich auch, was genau der Notizenmacher draußen beobachtete. Und ich konnte mich nicht entsinnen, irgendeine Vollmacht unterschrieben zu haben.
Ich ging zur Tür hinüber und hämmerte gegen das Glas. Es rührte sich unter der Attacke zwar nicht, aber meine Fäuste verursachten bei jedem Schlag ein Dröhnen. Ich brüllte nicht.
Wenn sie das Hämmern nicht hörten, würden sie das Brüllen mit Sicherheit erst recht nicht hören. Eine lange Minute verging. Dann summte die Sprechanlage über meinem Kopf.
»Ja?« Eine Frauenstimme. Jung. Sorgsam um Neutralität bemüht.
»Ich will mit jemandem reden, der hier das Sagen hat«, sagte ich.
»Ich fürchte, das ist nicht möglich«, sagte sie. Der Stift kritzelte eifrig.
Ich hämmerte lauter.
»Bitte unterlassen Sie das.« Ruhig, leicht gelangweilt. Der Stift kratzte immer noch.
Ich nahm die Faust nach hinten und rammte sie gegen das Glas. Der Schlag brachte die Scheibe und meinen ganzen Arm zum Erzittern. Der Stift hielt inne.
»Ich verstehe, dass Sie verstört sind, aber das wird nichts helfen. Kein Problem lässt sich mit Gewalt lösen.«
Wer sagt das?
Ich wandte mich ab, als gäbe ich klein bei, und ließ einen gezielten Tritt gegen die Wand krachen. Ein Stück Putz sprang ab und gab den Blick auf einen Streifen massiven Metalls frei. Ich hakte die Fingerspitzen dahinter und zog versuchsweise. Das Metall rührte sich nicht, aber ich hatte das auch nicht wirklich erwartet. Natürlich, wenn ich genug von diesem Putz herunterriss, könnte ich die Finger hinter das Metall schieben und richtig ziehen …
Schwere Schritte näherten sich meiner Zelle. Aha, ein Fortschritt.
Die Sprechanlage klickte.
»Bitte treten Sie von der Wand zurück«, meldete sich eine männliche Stimme.
Er hörte sich an wie eine von diesen Autoalarmanlagen der Neunziger – wenn man den unverzeihlichen Fehler beging, sich auf weniger als fünfzehn Zentimeter irgend so einem Yuppie-BMW zu nähern, wurde man von einer mechanischen Stimme zum Zurücktreten aufgefordert, als könnte man ihn etwa berühren und dabei Fingerabdrücke hinterlassen. Als wir das letzte Mal auf so ein Ding gestoßen waren, war Clay auf die Motorhaube gesprungen und hatte dort noch ganz andere Spuren als Fingerabdrücke hinterlassen. Der Besitzer war in Hörweite gewesen. Sie haben noch nie einen puddinggesichtigen Mittvierziger gesehen, der sich so schnell bewegt hätte. Dann hatte er Clay gesehen und war zu dem Schluss gekommen, dass der Schaden doch nicht so schlimm war. Ich folgte Clays Beispiel, indem ich mich nicht von der Wand entfernte. Ich rammte die Faust in den Putz zwischen zwei Metallstäben und hinterließ ein hübsches Loch in die Nachbarzelle.
Die Tür flog auf. Ein Männergesicht sah in den Raum und verschwand wieder. Ein Funkgerät quakte.
»Basis, hier ist Alpha. Bitte sofort Unterstützung nach Zellenblock eins, Einheit acht.«
»Legt ihr euch mit meinem Mädchen an?«, fragte eine Stimme mit einem trägen Midwestern-Akzent über ein zischendes Störgeräusch hinweg. Houdini. »Du hörst dich ein bisschen überfordert an, Soldat. Soll ich runterkommen und dein Händchen halten?«
»Reese? Was zum Teufel hast du eigentlich im – ach, vergiss es.«
Klick. Ende des Störgeräuschs.
»Dreister Dreckskerl.«
»Das kannst du laut sagen«, sagte ich.
Schweigen. Dann »Scheiße« und ein Schnappgeräusch, als die Sprechanlage ausgeschaltet wurde.
»Holt mir irgendwen, der hier was zu sagen hat«, sagte ich. »Jetzt.«
Eine gemurmelte Unterhaltung, die durch das Glas nicht zu verstehen war. Dann stelzte ein Paar Stiefel davon. Ich beschloss, das Loch in der Wand vorläufig in Frieden zu lassen. Stattdessen kauerte ich mich davor und versuchte
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