Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
Bild von der arbeitsteiligen Konsumgesellschaft.
Ein Selbstversorger bewirtschaftet zusammen mit seinen Angehörigen sein Land, den eigenen Grund und Boden, gegen die Unbilden der Natur. Der Mensch musste und konnte durch Feldarbeit, durch das Sammeln von Früchten oder die Jagd für sich selbst sorgen. Auf diese Zeit geht unser heutiges System von Abgaben zurück, die immer ein Teil der Ernte waren. Die Idee war, dass Steuern die – durch die Natur gegebene – Ungleichheit durch Umverteilung wieder ausgleichen: Wer sich selbst besser versorgen kann, soll mehr zahlen und damit diejenigen entlasten, denen es nicht so gut gelingt.
Heute jedoch kann sich niemand mehr selbst versorgen, nicht nur in Deutschland. Sprachlich tun wir aber noch so. Die Menschen sagen: Ich will selbst für mich sorgen. Aber damit reden sie an der Realität vorbei. Denn keiner sorgt eben mehr für sich. Kaum jemand pflanzt die Karotten, die er in seinen Salat schneidet, selbst an. Kaum jemand füttert und schlachtet das Huhn, dessen Schenkel er sich in der Pfanne brät, selbst. Und selbst wer sein eigenes Brot backt, pflanzt den Weizen dafür nicht selbst an. Wir leben in einer arbeitsteiligen Fremdversorgung. Ein Bankmanager kann noch so viel verdienen; wenn er nicht einen Bäcker findet, der ihm Brot verkauft, wird er verhungern. Der Einzelne lebt nicht von dem Geld, das er verdient, sondern von dem, was er dafür kaufen kann. Und etwas kaufen kann er nur, wenn es andere gibt, die für ihn tätig werden. Im Unterschied zur agrarischen Selbstversorgungswirtschaft leben wir heute nicht mehr von der eigenen Arbeit, sondern ausschließlich von der Arbeit anderer.
Inzwischen dominiert die weltweite Arbeitsteilung. Manchmal fordere ich in Vorträgen das Publikum spaßeshalber auf, alles auszuziehen, was nicht in Deutschland produziert wurde. Das gäbe eine schöne FKK-Veranstaltung. Wir müssen erkennen: Keiner sorgt für sich selbst. Die ganze Welt ist für uns tätig; wir sind für die ganze Welt tätig. Unsere Arbeit ist so kleinteilig zergliedert, dass mancher gar nicht mehr weiß, wer eigentlich von seiner Arbeit profitiert. Die Arbeiter in der chinesischen Textilfabrik kennen die Menschen nicht, an deren Hosen sie die Knöpfe nähen. Und die Konstrukteure in den deutschen Ingenieurbüros wissen oft nicht, an welcher Gasturbine in der Welt ihre Konstruktionszeichnung schließlich umgesetzt wird. Aber Fakt ist, wir müssen uns wechselseitig darauf verlassen, dass jeder seine Arbeit für den anderen gut macht. Nur dann gehen wir in Düsseldorf selbstbewusst auf die Straße, wenn wir sicher sind, dass der Hosenknopf gut angenäht ist. Das Gaskraftwerk im indischen Gujarat wird nur angeschaltet, wenn die Techniker überzeugt sind, dass die zugrunde liegende Zeichnung einwandfrei ist.
Wir sind also keine Selbstversorger, wir sind Fremdversorger und Fremdversorgte (Konsumenten). Als Konsumenten haben wir ein großes Interesse daran, dass derjenige, der Leistung für uns erbringt, dies möglichst ungestört tun kann – und mit möglichst wenig Kosten belastet wird.
Jede Einkommensteuer, jede Ertragsteuer, jede Lohnsteuer besteuert eine Leistung, obwohl noch gar nicht entschieden ist, ob sie überhaupt ihr Ziel erreicht und wer sie dann verzehrt. Die Initiativkraft wird reduziert, die Leistung erst ermöglicht, statt die volkswirtschaftliche Leistung (den Kuchen) möglichst groß werden zu lassen und dann die Entnahme aus dem gemeinschaftlich Geleisteten zu besteuern.
Das ist »Knospenfrevel« par excellence! Dem Apfelbaum werden in falscher Gier die Blüten entrissen, anstatt dass man abwartet, bis er Früchte trägt, die man dann »brüderlich« unter sich aufteilen kann. »Die Einkommenssteuer wirkt damit lähmend auf die Entfaltung des individuellen Leistungsbeitrages. Sie mindert damit (ungewollt) zugleich den gesellschaftlichen Wohlstand«, schreibt Hardorp in seinem Buch »Arbeit und Kapital als schöpferische Kräfte. Einkommensbildung und Besteuerung als gesellschaftliches Teilungsverfahren«.
Fair für den Fremdversorger: Konsumsteuer
Der bessere Weg sieht deswegen so aus: Die Gemeinschaft produziert Leistungen und Waren, die dann jeder Einzelne je nach seinem Bedarf und Wunsch entnehmen kann. Wer mehr entnimmt, soll auch mehr bezahlen – dieses Geld fließt dann als Konsumsteuer an die Gemeinschaft. Die Konsumsteuer ist die einzige Steuer, die wirklich dafür sorgt, dass die volkswirtschaftliche Leistung erst besteuert wird,
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