Wood, Barbara
ihn. Sie sind gut befreundet.« Ein Mann! Noch dazu ein guter Freund. »Mr. Scott?«
»Ja. Genau
der. Mr. Scott.«
Liza schnalzte mit den Fingern, um eine Bedienstete, die gerade die
Topfpflanzen wässerte, auf sich aufmerksam zu machen. »Trudie, lauf in die
Küche und sag Miss Conroy, dass hier jemand ist, der sie sprechen möchte.«
Jacko
Jackson hatte in der Küche nach Handschuhen gesucht, weil er sich beim
Holzhacken eine Blase zugezogen hatte. Kaum aber war der Blick von Ruth
Guinness, die eine Schwäche für den stets fröhlichen jungen Mann hatte, auf
seine gerötete Handfläche gefallen, hatte sie nach Hannah geschickt, die nach
erster Inaugenscheinnahme der großflächigen Blase darauf bestanden hatte, die
Verletzung trockenzulegen und zu verbinden.
Während
sie damit beschäftigt war - Jacko auf einem Hocker und sie vor ihm auf einem Küchenstuhl
- erklärte sie Ruth, wie man dabei vorging. Die Tochter von Liza Guinness wollte unbedingt Hannah nacheifern. Sie fand es wunderbar,
im Bezirk herumzukutschieren und Leuten zu helfen. Hannah hatte die Achtzehnjährige
bereits zu einigen Krankenbesuchen mitgenommen, was für beide eine Bereicherung
gewesen war: Hannah machte das Unterrichten Spaß, und Ruth war selig, dem Hotel
mal den Rücken zu kehren.
»Um den
von der Blase verursachten Schmerz zu lindern«, sagte Hannah zu Ruth, die jeden
Handgriff genau beobachtete, »entzieht man ihr die Flüssigkeit, ohne die
darüberliegende Haut zu beschädigen. Als Erstes aber tupfen wir ein wenig von
dem hier auf die Blase.«
»Warum?«,
fragte Ruth.
Bei ihrem
letzten Ausflug in die Stadt hatte Hannah auch Mr. Krüger aufgesucht, um ihre
Vorräte für ihre Tätigkeit als Hebamme zu ergänzen - Kampfer, Weidenrinde,
Ammoniumkarbonat - und im Verlauf ihrer Unterhaltung durchblicken lassen, dass
die Jodformel ein Allheilmittel sein könnte. Daraufhin hatte Mr. Krüger ihr einen
Brief von seinem Bruder vorgelegt, einem medizinischen Forscher in Heidelberg,
der zu berichten wusste, dass man kürzlich einen Mikroorganismus entdeckt und
ihm die aus dem Lateinischen abgeleitete Bezeichnung Bacterium gegeben habe, und dass nicht auszuschließen
sei, dass Bakterien Krankheiten und Infektionen auslösten - eine bahnbrechende
Theorie, der einige Mediziner und Wissenschaftler durchaus aufgeschlossen
gegenüberstünden. Hannah freute sich über diese Neuigkeit, hieß das doch, dass
ihr Vater recht hatte. Und je mehr Mikroben entdeckt und identifiziert wurden,
desto näher kam die Medizin dem Ziel, Krankheiten zu besiegen.
Ruth und
Jacko gegenüber erwähnte sie nichts davon, sondern sagte nur: »Mit diesem
Medikament wird die Blase schneller abheilen.«
Ruth war
nicht so hübsch wie ihre Mutter, wirkte mit ihrem rundlichen Gesicht und der
kurzen Stupsnase eher unscheinbar. Dafür aber strahlte sie Persönlichkeit aus,
die nicht zuletzt auf Jacko Eindruck machte, dem so viel weibliche
Aufmerksamkeit schmeichelte.
Hannah
betupfte die Blase mit ihrer Jodtinktur, in die sie anschließend auch eine
Nadel tunkte, um sie steril zu machen. »Jetzt mit der Nadel an den Rand der
Blase stechen. Die Flüssigkeit auslaufen lassen, ohne die darüberliegende Haut
zu beschädigen. Dann noch etwas Jod auf die Blase träufeln und sie verbinden.
In ein paar Tagen schneiden wir die abgestorbene Haut weg und erneuern den
Verband.«
»Ich
dachte, man muss eine Blase aufdrücken, die Haut entfernen und an das, was
drunterliegt, Luft ranlassen«, sagte Jacko, wobei er Ruth zulächelte.
»Ein altes
Verfahren, das eingestampft gehört«, erwiderte Hannah, während sie vorsichtig
und ohne die schrumplige Hautschicht darüber zu beschädigen die abgeflachte
Blase reinigte. Sie hatte erlebt, dass sich Blasen derart entzünden konnten,
dass Finger und Zehen amputiert werden mussten.
Während
sie Ruth demonstrierte, wie man die Hand fachmännisch verband, überlegte sie,
wie viele frühere Behandlungsmethoden angesichts neuer Erkenntnisse und Fortschritte
in der Medizin verdrängt werden würden. Vor ihrem »Schlüsselerlebnis« hätte
sie nie und nimmer daran gedacht, Jackos Blase mit der väterlichen Tinktur zu
behandeln. Selbst jetzt noch vermutete sie, dass das Jod lediglich eine
Infektion der Hand verhindern würde. Dass es ein Experiment war, verschwieg sie
Jacko und Ruth.
Wie hatte
sie in jener stürmischen Nacht vor vier Tagen der Gedanke beflügelt, dass Jod
ein Allheilmittel sein könnte! Nur wie war das zu beweisen? Sie musste einen
Weg
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