Wood, Barbara
lautet: Bleib, wo du bist.« Und da es aussichtslos zu sein schien,
dass Neal in dieser Finsternis die Männer um Sir Reginald aufspüren könnte oder
umgekehrt, beschloss er, erst einmal bis zum Anbruch des Tages an Ort und
Stelle zu verharren. Er hüllte sich wieder in die wärmende Plane und schlief
alsbald ein.
Die ersten
Lichtstrahlen weckten ihn. Er schüttelte den Sand von der Ölplane, krabbelte
darunter hervor und blinzelte durch verklebte Augen. Die Morgensonne warf
goldenes Licht auf eine befremdende Landschaft. Kein einziger Baum mehr, kein
noch so kleiner Busch war zu erkennen. Dafür orangerötliche Sandhügel, die
vorher nicht da gewesen waren.
Wo waren
die Pferde abgeblieben? Das Lager? Sir Reginald und die anderen? Neal meinte
seinen Augen nicht zu trauen. Er war doch nicht weit geritten, als der
Sandsturm über ihn und die anderen hereingebrochen war. Zelte und Planwagen und
Pferde - das alles musste doch noch da sein!
War es
denkbar, dass sie im Schein der Lampen gepackt hatten und noch bei Dunkelheit
aufgebrochen waren? Nichts mehr war von der vielköpfigen Expedition
zurückgeblieben, die ihn über dreizehnhundert Meilen nach Perth führen sollte.
Verschwunden waren auch seine wissenschaftlichen Instrumente, die Werkzeuge
und Gerätschaft, die moderne Technologie, die ihm den Weg weisen sollte.
Ein
dunkler Verdacht keimte in ihm auf. Als Sir Reginald von den Seminolen in New
York gesprochen und Neal ihn korrigiert hatte, war über das Gesicht des
Expeditionsleiters ein Ausdruck gehuscht, der einem Geständnis gleichkam.
Oliphant war ein Lügner. Er hatte nie bei den Seminolen gelebt. Erhob sich die
Frage, ob der Alte überhaupt jemals in Amerika gewesen war. Und die einzige
Erklärung dafür, dass die anderen zusammengepackt, im Schutze der Nacht
verschwunden waren und ihn seinem Schicksal überlassen hatten, konnte
eigentlich nur die sein: Reginald Oliphant wollte verhindern, dass Neal publik
machte, dass er ihm auf die Schliche kommen war!
Und nun
war Neal sich allein überlassen, in einer endlosen, trockenen Wildnis. Keine
Menschenseele weit und breit, nicht einmal ein Tier. Weil alles von Dunst
verhangen war - Sandpartikel in der Atmosphäre, wie er mutmaßte -, konnte er
die Sonne nicht genau ausmachen und somit auch nicht bestimmen, wo Osten,
Westen, Süden oder Norden war. Er hatte keinen Kompass oder Sextanten, keinen
Proviant und kein Wasser. Und keinen Hut zum Schutz gegen die Sonne.
Es blieb ihm
nichts anderes übrig als loszugehen, stolpernd, einen Fuß vor den anderen
setzend, ohne zu ahnen, wohin seine Schritte ihn führen würden.
19
Obwohl
Michael Maxberry dem Urteil seines Freundes, der ihn nach dieser Braut
ausgeschickt hatte, misstraute, kam er der Bitte nach. Zum einen war Jamie in einer elenden Verfassung, zum anderen stellte sich die Frage: wen
sonst konnte er holen? Wo Jamie O'Brien doch
steckbrieflich gesucht wurde und ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt war.
»Hannah
Conroy wird mich nicht verpfeifen«, hatte Jamie unter Schmerzen geächzt. »Sie wird mich wieder hinkriegen, und
niemand erfährt was davon.«
Na
hoffentlich, sagte sich Mikey, als er die Holzstufen zum Australia Hotel hochstieg, denn wenn sie nicht mitkam oder die Polizei alarmierte,
war Jamie geliefert, so viel stand fest.
Als die
Glocke über der Eingangstür schellte, erschien Liza Guinness aus dem rückwärtigen Büro, fuhr sich übers Haar, um sich zu
vergewissern, dass es ordentlich saß, strich sich, hierbei nicht weniger darauf
bedacht, adrett auszusehen, über ihren Rock. Man konnte ja nie wissen, wer da
zur Tür hereinkam, war Lizas Leitspruch.
Ihr
Lächeln vertiefte sich. Der Gentleman in dem schwarzen Jackett, den schwarzen
Hosen, dem weißen Hemd und Zylinder war zwar mit Staub bedeckt und verschwitzt
- waren das nicht die meisten ihrer Gäste? -, aber er schien ein richtiger Kerl
zu sein und sah nicht einmal übel aus, wenn man die schrumpelige Narbe außer
Acht ließ, die sein Gesicht in zwei Teile zu gliedern schien. Eine Kneipenschlägerei,
tippte Liza, als er auf den Empfangstresen
zukam. Hat die Klinge von einem Messer zu spüren bekommen und muss jetzt damit leben. »Guten Morgen, Sir, möchten Sie ein Zimmer und ein
Bad?« Sie drehte ihm das Bestellbuch für seine Unterschrift zu.
»Ich möcht
zu Hannah Conroy. Ich soll sie holen. Ein gemeinsamer Freund hat sich
verletzt. Unterwegs. Nördlich von hier.«
Sie hob
die Brauen. »Ein gemeinsamer Freund?«
»Ja. Sie
kennt
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