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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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geritten, und zunächst kam ihr das auch höchst unschicklich
und wenig damenhaft vor. Aber beim Gedanken an den schwer verletzten Mr. O'Brien schwanden derlei Skrupel.
     
    20
     
    »Ich habe
wunderbare Neuigkeiten für dich, mein Sohn«, sagte Josiah Scott und legte Neal
den Arm um die Schultern. »Deine Mutter ist hier.«
    Neal, der
sich angesichts der gleißenden Sonne und der Sandkörnchen, die seine Augen
verklebten, wie blind durch eine Wüstenei aus Kalkstein schleppte, schluchzte
überglücklich auf. Seit dem Sandsturm waren vier Tage vergangen. Da er seinen
Hut verloren hatte, deckte er den Kopf mit seinem weißen Leinenjackett ab. Er
dachte an die rot eingekreiste Stelle auf seiner Karte, an dieses Galagandra.
Als er Sir Reginald dazu befragt hatte, hatte Oliphant gesagt, dass sich nach
Ansicht von Landvermessern dort reiche Süßwasservorkommen befinden mussten.
Und genau dorthin war die Expedition unterwegs. Wenn er sich nur orientieren
könnte! Aber die Karte war wie alles, was er mitgenommen hatte, weg - auch Hannahs Handschuh.
    »Du hast
angenommen, ich hätte mich verlaufen, stimmt's, Mutter?«, redete Neal auf die
geisterhaft schimmernden Formationen ein, die sich vom Sand abhoben. Er ahnte,
dass er entweder träumte oder einer Halluzination aufsaß, versuchte aber gar
nicht erst, diese Phantastereien abzuschütteln, weil sie so angenehm waren. Und
obwohl er sich undeutlich bewusst war, dass seine Kehle völlig ausgedörrt war,
dass seine Lippen aufgeplatzt waren und bluteten und dass da weit und breit
nichts war außer Gestrüpp und Sand und hier und dort eine skurrile
Kalksteinformation, stand ihm umso deutlicher die Kanzlei seines Adoptivvaters
in Boston vor Augen, die dort aufgereihten juristischen Bücher, der Globus, das
Astrolabium, die Büste des Aristoteles.
    Er
lächelte seinem Adoptivvater zu. Josiah Scott sah ungemein gut aus. Neal hatte
sich immer wieder gewundert, warum er Junggeselle geblieben war. »Etwa
meinetwegen?«, fragte er den imaginären Vater. »Waren die Frauen vielleicht
nicht erpicht darauf, einen Mann zu heiraten, der bereits ein Kind hatte - das
noch dazu ein Bastard war? Wie schwer ich es dir doch gemacht habe. Aber jetzt,
wo Mutter wieder da ist, kannst du ja endlich diese nette Witwe heiraten, die
einmal pro Woche herkommt, um mit dir ihre Vermögenswerte durchzugehen.«
    Er fuhr
sich mit dem Handrücken über die aufgesprungenen Lippen. Blinzelte zu einem
Mulgabusch hinüber und sah seine Mutter darin stehen. Nicht so deutlich wie
Josiah. Ihre Gesichtszüge waren verschwommen, ihr schlichtes Kleid und das
gelockte Haar entsprachen der Mode vor siebenundzwanzig Jahren. Neal wollte zu
ihr, aber so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht.
    Er
schluchzte. Er war ausgehungert. In diesem Gebiet, das Edward Eyre als
Albtraum bezeichnete, hatte er etwas zu essen und Wasser gesucht. Vergeblich.
Sein Magen verkrampfte sich. Seine Beine schmerzten. Jede Nacht hatte er sich
zusammengerollt und von Rettung und Hannah geträumt, nur um jeden Morgen in
Trostlosigkeit zu erwachen.
    Ich werde
in diesem Ödland sterben. Mit nicht einmal dreißig Jahren. Warum habe ich
Hannah nicht gebeten, mich zu heiraten? Warum ihr nicht gesagt, dass ich sie
liebe? Anders als Annabelle hätte sie mich nicht zurückgewiesen. Nicht wie
meine Mutter abgelehnt. Hannah ist anders. Wie sie meine Küsse erwidert, wie
sie sich an mich geklammert hat ...
    Er zwang
sich weiterzugehen, konzentriert und nach allen Richtungen hin Ausschau
haltend. Die Sonne verstand sich darauf, ihm etwas vorzugaukeln: Sie ließ die
Wüste aussehen, als wäre sie durchzogen von silbernen Wasserlachen. Die
niedrigen Mulgabüsche streckten und verbreiterten sich zu einer optisch
bizarren Illusion, wurden durch das grelle Licht so verzerrt, dass man meinen
konnte, einen Menschen vor sich zu sehen.
    Er schleppte
sich weiter. Einmal kreiste ein Adler über ihm, stieß hinunter, wie um diesen
dahinstolpernden Eindringling näher zu beäugen, flog wieder auf, und Neal war
erneut allein. Er marschierte und marschierte, ließ Mutter und Adoptivvater
hinter sich. Der Horizont blieb immer gleich weit entfernt, narrte ihn mit
schimmernden Flächen nicht vorhandenen Wassers. Am späten Nachmittag überkam
ihn Schwindelgefühl. Er sah sich nach etwas Essbarem um, nach Wurzeln, die
Feuchtigkeit enthielten. Vielleicht fand er wenigstens ein paar
Holzbohrerlarven. In einem ausgetrockneten Flussbett scharrte er wie ein
Besessener nach

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