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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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die sich da im Wasser tummelten, nahm
sie mit einer Pipette ein wenig von der neuen Jodlösung auf und ließ einen
Tropfen davon auf das Wasser auf dem Objektträger fallen.
    Mit
angehaltenem Atem, die Finger ineinander verschlungen und ein Stoßgebet zum
Himmel schickend, beugte sie sich über das Mikroskop, nicht ohne vorher die
Kerze so zu platzieren, dass ausreichend Licht auf den Objektträger fiel. Sie
regulierte die Bildschärfe, und ...
    Die
Mikroben bewegten sich nicht.
    Die Formel
hatte sie abgetötet.
    »Gott
sei's gepriesen«, flüsterte Hannah erleichtert. Sie besaß wieder die Rezeptur
und konnte weiterhin Entbindungen ohne die Gefahr einer Infektion für Mutter
und Kind durchführen.
    Wie das
Leben doch so spielt, ging es ihr durch den Kopf, als sie die neue Mischung in
eine kleine Flasche füllte. Hätte man ihr nachmittags nicht die Tasche stibitzt
und hätte Mr. Jamie O'Brien sie ihr
nicht wiederbeschafft, wäre ihr Blick vermutlich nie auf den kleinen Zettel mit
der Formel gefallen.
    Der Wind
wurde heftiger, ließ Fensterläden klappern und Baumzweige an den
Backsteinmauern schaben. Als eine Bö ins Zimmer fuhr, Papier emporwirbelte, die
Kerzen ausblies und Lampen umzuwerfen drohte, stand zu befürchten, dass die
Fensterriegel nicht standhalten würden. Sicherheitshalber überprüfte Hannah sie
nochmals, aber da drückte der Wind sie bereits auf, und als Hannah die ersten
Regentropfen auf ihrem Gesicht spürte, wusste sie, dass ein Unwetter
bevorstand.
    Wieder
schloss sie die Fenster, aber kaum waren sie zu, flogen sie wieder auf. Als
eine Lampe - die zum Glück nicht brannte - auf den Boden polterte, besann sich
Hannah auf den Schlüssel im Türschloss, mit dem man auch die Fenster absperren
konnte. Sie eilte zur Tür, zog den Schlüssel heraus, begab sich damit zu den
Fenstern. Gegen Wind, sich bauschende Vorhänge und auf und zu schwingende
Fensterrahmen ankämpfend, gelang es ihr schließlich, den Schlüssel ins Schloss
am Fenster zu stecken und herumzudrehen.
    Sie
ordnete die Vorhänge, besah sich dann den Schaden, den der Sturm angerichtet
hatte - und hielt jäh inne. Den kalten Schlüssel in der Hand, musste sie
unwillkürlich an eine ebenfalls windige Nacht vor zwei Jahren denken. »Das ist
der Schlüssel, Hannah«,
hatte der Vater mit ersterbendem Atem gesagt und ihr die Flasche Jod in die
Hand gedrückt.
    Hannah
hielt unwillkürlich die Luft an, als sie sich nach und nach der Tragweite ihrer
Entdeckung bewusst wurde. War es möglich, dass die Formel für Jod ein Allheilmittel war? War es das, was der Vater ihr
kurz vor seinem Tod noch hatte sagen wollen? Hatte er ihr, ohne sich dessen
bewusst zu sein, den Weg für eine neue und revolutionäre Medizin gewiesen?
    Es war
ihr, als habe sich da unverhofft eine Tür aufgetan, von der aus unzählige Wege
abzweigten. Sollte ihr Vater wirklich ein Allheilmittel erfunden haben ...
    Hannah
versuchte die in ihr aufsteigende Erregung zu bezähmen. Erst musste sie
weitere Tests, weitere Experimente durchführen. Sie musste sich ganz darauf
konzentrieren, alles genau analysieren und überprüfen und sich dann
entscheiden, wie sie weiterhin vorging. Wohin sie diese Entdeckung führen
würde, wusste sie nicht. Aber sie musste diesem unerwarteten Fingerzeig
nachspüren, durch diese offene Tür gehen und jenen unbekannten Pfaden folgen,
wo immer sie hinführen mochten.
     
    Der
Sandsturm wütete bis zum Abend und noch fast die ganze Nacht hindurch. Neal
rang nach Luft, hatte das Gefühl, lebendig begraben zu werden.
    Als der
Wind abflaute und sich schließlich ganz legte, konnte er weder Rufe der Männer
hören noch Geräusche von Pferden. Halb verdeckt lag er unter einer Plane, die
im Lager aufgewirbelt worden und wie ein herumirrendes Segel an ihn geklatscht
war. Er wühlte sich aus einer Sanddüne, die vorher nicht da gewesen war,
rappelte sich hoch und schaute sich um. Tiefschwarze Nacht, mehr war nicht zu
erkennen. Kein einziger Stern. Er versuchte zu rufen, aber seine Kehle war zu
ausgedörrt. Aufs Höchste beunruhigt, behielt er dennoch einen kühlen Kopf.
Bestimmt waren die anderen Expeditionsteilnehmer in der Nähe, vermochten nur
wie er selbst nicht zu rufen. Er dachte daran, wie oft er mit seinem
Adoptivvater durch unberührtes Gelände gezogen war und dass Josiah Scott, der
so gern Aquarelle von Wäldern und Wasserfällen malte, gesagt hatte: »Sollten
wir getrennt werden, solltest du dich verirren, dann beherzige Regel Nummer
eins, die da

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