Wood, Barbara
Wasser. Aber alles war trocken, knochentrocken, staubtrocken.
Er zog
weiter. In seinen Schläfen pochte es unangenehm. Obwohl es Mai war und der Winter
bevorstand, brannte eine erbarmungslose Hitze auf ihn herab. Umso
erleichterter atmete er auf, als die Sonne endlich unterging. Nur sein Durst
war schier unvorstellbar. Dazu kam, dass er völlig erschöpft war. Er rollte
sich an einem kleinen Sandhügel zusammen und schlummerte ungeachtet der Gefahr
von hungrigen Dingos und Giftschlangen ein.
Zweimal
schreckte er aus dem Schlaf hoch, weil er meinte, Geräusche gehört zu haben.
Er fror. Im Outback, das tagsüber einem glühenden Kessel glich, wurde es nachts
bitterkalt. Zitternd und mit klappernden Zähnen spähte er in die Dunkelheit,
machte sich gefasst auf eine Horde Wildhunde, die ihn eingekreist hatten und
näher kamen, oder auf Schwarze mit ihren Speeren.
Er war
froh, als die Sonne wieder aufging. Er trottete weiter. Seine Kopfschmerzen
wurden immer schlimmer. Er schwitzte nicht mehr. Wie aus Blei fühlten sich
seine Beine an. Dehydrierung, dachte er. Tod infolge Dehydrierung ...
Am späten
Nachmittag, als ihm die kupferfarbene Sonne ins Gesicht brannte und den völlig
entkräfteten Mann herauszufordern schien, noch eine weitere Nacht
durchzustehen, vernahm Neal plötzlich Laute. Menschliche Laute. Leicht
schwankend blieb er stehen, lauschte. Seine Augen waren so ausgetrocknet, dass
er sie kaum noch zusammenkneifen konnte. Als er abermals etwas hörte, stellte
er nach einer Weile fest, dass die Laute von ihm selbst herrührten. Er
schluchzte, ohne es zu merken.
Er war
inzwischen übersät mit Insektenstichen und vom Stapfen durch verdorrtes
Buschwerk völlig zerkratzt. Seine Zunge war geschwollen, seine Kehle wie
zugeschnürt. Dennoch ging er weiter. Vor ihm - dessen war er sich sicher - zog
Sir Reginalds Expedition dahin, mit tonnenweise kühlem Wasser und Salbe für
seine Wunden und einem Kissen für seinen Kopf. Und sobald er sich erholt hätte,
würde er umkehren, zurück nach Adelaide und Hannah.
In dieser
Nacht schlief er so tief und fest, dass ihn erst die eindringlichen Strahlen
der Sonne weckten. Um die Mittagszeit stürzte er und brauchte eine Zeitlang, um
wieder auf die Beine zu kommen. Er ging weiter, stürzte abermals, stand auf,
schleppte sich weiter. Fiel ins Delirium, fing an zu lachen. Er dachte an
seinen Freund Ernie Shalvoy,
der in Bostons besserer Gegend ein Fotostudio eröffnet hatte. Ernie hatte Jod mit Salmiakgeist gemischt, und als er das Gemisch in das
Bad mit Silbernitrat kippte, wurde bei der Explosion die große Frontscheibe des
Ateliers quer über die Canal Street
geschleudert. Bei der Erinnerung daran verfiel Neal in hemmungsloses Lachen,
das seinen Körper durchschüttelte.
Als ihm
schließlich wieder eine kupferfarbene Sonne in die Augen stach, brach er
zusammen. Diesmal kam er nicht mehr hoch. Sein Schädel fühlte sich an, als
würde er im nächsten Augenblick wie Ernie Shalvoys
Atelier explodieren. Er sank in den Sand, blieb liegen, versuchte zu beten. In
seinen Ohren dröhnte es derart, dass er nicht hörte, wie in seiner Nähe
geflüstert wurde, und seine Augen waren von der Sonne so geblendet, dass er,
bevor er das Bewusstsein verlor, nicht die schwarzen Schatten sah, die sich
langsam um ihn herum versammelten, dunkle Gestalten mit Speeren, Keulen und
Bumerangs.
21
Noch nie
war Hannah so weit vom Australia Hotel weg
gewesen wie jetzt mit ihren beiden Reisegefährten. Dies hier war für sie
Neuland, ein erregendes Gefühl.
Ehe es auf
die Landstraße ging, hatte das Trio bei Gibney's Feed & Supplies Mehl, Salz, getrocknetes Kängurufleisch in Streifen, Eier, Melasse und
Whiskey eingekauft. Inzwischen war es Spätnachmittag geworden, Adelaide, die
Vororte und das Farmland lagen bereits weit hinter ihnen. Zur Linken erstreckte
sich breit und behäbig der Spencer-Golf, auf dem Segelschiffe zu den entlegenen
ländlichen Gebieten unterwegs waren, in denen man es mit Schafzucht zu
Wohlstand brachte. Rechter Hand zogen sich Hügel und dichte Wälder,
gelegentlich auch flaches Land, auf dem sich beherzte Farmer als Pioniere
bewiesen, indem sie dem Boden Getreide abrangen und üppig grüne Weingärten
anlegten. Hier gab es auch mehr wild lebende Tiere. Statt dann und wann einem
Emu zu begegnen, jagten einem jetzt ganze Herden, Kopf und Hals auf den großen
grauen Körpern gestreckt, über den Weg, und statt eines vereinzelten Kängurus
inmitten von Schafen sprangen
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