Working Mum
Schädeldecke zieht sich zusammen und meine Beine fühlen sich an, als seien sie mit kaltem Wasser gefüllt.
«Sie sind, da bin ich sicher, bereits vertraut mit der Bezeichnung Fondsmanager. Ganz einfach ausgedrückt ist ein Fondsmanager ein Glücksspieler auf hohem Niveau. Mein Job ist es, Firmen weltweit zu studieren, einzuschätzen, wie sich die Märkte für ihre Produkte entwickeln, herauszufinden, welche Erfolge ihre Jockeys in ihren bisherigen sportlichen Laufbahnen vorzuweisen haben, einen ordentlichen Batzen Geld auf den Favoriten zu setzen und dann zum Teufel zu beten, dass er nicht beim ersten Hindernis vom Pferd kippt.»
Ringsherum im Raum wird gelacht, das mehr-als-dankbare Lachen von Einpaarundzwanzigjährigen, die hin- und hergerissen sind zwischen Arroganz, weil sie einen von sechs Traineeplätzen bei EMF ergattert haben, und Panik bis hin zum Einnässen, weil ihnen jemand auf die Schliche kommen könnte.
«Wenn die Pferde stürzen, auf die ich gesetzt habe, muss ich entscheiden, ob wir sie sofort erschießen oder ob es sich lohnt, das gebrochene Bein wieder gesund zu pflegen. Denken Sie daran, meine Damen und Herren, Mitleid kann kostspielig sein, ist aber nicht in jedem Fall Geldverschwendung.»
Vor zwölf Jahren war ich selber Trainee. Ich habe in einem Raum wie diesem gesessen, meine Beine abwechselnd übereinander geschlagen und gerade nebeneinander gestellt und gegrübelt, ob es wohl schlimmer war, auszusehen wie die Herzogin von Kent oder wie Sharon Stone. Ich war die einzige Frau in meinem Jahrgang und umgeben von Jungs, großen Jungsbestien, die sich in ihrem Nadelstreifenfell ganz zu Hause fühlten. Anders als ich: In dem schwarzen Crepe-Kostüm von Whistles, für das ich meine letzten vierzig Pfund hingeblättert hatte, sah ich aus wie die Schulinspektorin von Wolverhampton.
In diesem Jahr ist das Häuflein Novizen ziemlich typisch. Fünf Jungs, zwei Mädchen. Die Jungs flegeln immer irgendwo hinten, die Mädchen sitzen aufrecht in der ersten Reihe, mit gezücktem Stift, um Notizen zu machen, die sie niemals brauchen werden. Nach einer Weile kennt man die Typen. Sehen wir uns doch mal den Herrn Anarchisten da drüben an mit den Klettbandkoteletten und dem mürrischen Ausdruck eines Liam Gallagher. Heute im Anzug, aber mental trägt er noch immer Lederjacke. Dave war wahrscheinlich als Student im College eine Art politischer Aktivist. Er hat Wirtschaftswissenschaften studiert, damit er für den Kampf der Arbeiter gerüstet ist, und alle auf seinem Flur im Wohnheim moralisch unter Druck gesetzt, diesen ungenießbaren Kaffee aus Ruanda zu kaufen.
Im Moment sitzt er da und redet sich ein, dass er diese City-Scheiße nur zwei Jahre mitmachen wird, maximal fünf. Dann wird er ernsthaft Kohle gescheffelt haben und seinen humanitären Kreuzzug starten. Er tut mir beinahe Leid. Nach sieben Jahren lebt er nämlich in irgendeinem modernistischen Mausoleum in Notting Hill und finanziert das Schulgeld für zwei Kinder und eine Frau mit einer ruinösen Sucht nach Jimmy Choo. Dave wird vor dem miesen Fernsehprogramm wegdämmern wie der Rest von uns, mit einem unaufgeschlagenen Exemplar des New Statesman im Schoß.
Die drei anderen Kerle sind begüterte Typen mit rosigen Kiemen und Privatschul-Scheiteln. Der eine, Julian mit Namen, hat einen hyperaktiven Adamsapfel. Wie üblich sind die Mädchen ganz unverkennbar Frauen, während die Männer kaum mehr als Jungs sind. Die beiden weiblichen EMF-Trainees teilen das gesamte Spektrum des Frauseins unter sich auf, die eine ist ein stämmiges Mädchen vom Land mit einem milden Pfannkuchengesicht und einem Samthaarband, das die Tiara für Leute ihrer Klasse ist. Clarissa Sonstwer. Ein Blick auf die Liste glasierter Lebensläufe und ich sehe, dass Clarissa einen Abschluss in «Modern Studies» von der Universität Peterborough hat. Reinstes Hinterzimmermaterial. Muss die Nichte von einem Abteilungsleiter sein; mit so einem Abschluss bekommt man bei EMF keinen Fuß in die Tür, es sei denn, man ist eine Blutsverwandte des Geldes.
Das Mädchen neben ihr sieht interessanter aus. Geboren und aufgewachsen in Sri Lanka, aber ausgebildet im Cheltenham Ladies College und der London School of Economics, ist sie eine von diesen Enkelinnen des Empires, die am Ende so viel englischer sind als die Engländer – der Liebreiz ihrer Höflichkeit, ihre himmlisch intakte Grammatik. Mit ihren bemerkenswerten blattförmigen Augen, die mit festem Blick durch die
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