Working Mum
Konzentration, dasselbe fragende Puckern der Stirn, das sie schon hatte, als sie aus dem Mutterleib kam. Ich erinnere mich noch, dass sie sich ein paar Minuten lang im Kreißsaal umgesehen hat, als ob sie sagen wollte: «Nein, sagt’s mir nicht, ich hab’s gleich.» Heute Nachmittag, flankiert von zappeligen Jungs, von denen einer eindeutig ein Klo braucht, singt mein Mädchen das Weihnachtslied, ohne auch nur über ein einziges Wort zu stolpern, und ich spüre, wie mich der Stolz in die Rippen stößt.
Warum ist es nur so viel anrührender, wenn kleine Kinder in einem Affenzahn «Ich steh an deiner Krippen hier» singen, als wenn der gesamte Chor vom King’s College das Lied in der richtigen Tonart anstimmt? Grabe in einer entfernten Ecke meiner Manteltasche und stoße auf ein Taschentuch.
15.41: Bei den dem Anlass gemäßen Erfrischungen verstecken sich ein paar Väter hinter Videokameras, aber in der Aula wimmelt es von Müttern, lauter Motten, die die kleinen Lichter ihres Lebens umflattern. Bei Schulveranstaltungen sehen andere Frauen für mich immer wie richtige Mütter aus, ich fühle mich nie alt genug für diese Bezeichnung oder gar ausreichend qualifiziert. Ich merke, wie mein Körper, einem Pantomimen gleich, eine übertrieben mütterliche Gestik annimmt. Der Beweis dafür, dass ich eine Mutter bin, klammert sich jedoch fest an meine linke Hand und besteht darauf, dass ich ihren Heiligenschein im Haar trage. Emily ist eindeutig erleichtert und dankbar, dass Mummy es geschafft hat. Letztes Jahr musste ich in letzter Minute ausscheren, da Verhandlungen in eine kritische Phase getreten waren und ich ein Flugzeug in die Staaten erwischen musste. Ich habe ihr eine tönende Schneekugel mit der Silhouette von New York mitgebracht, die ich mir bei Saks in der Fifth Avenue geschnappt hatte. Zum Trost, aber es war kein Trost. Die Male, die man es nicht schafft, bleiben so viel hartnäckiger in Erinnerung als die Male, die man es geschafft hat.
Ich möchte mich unbedingt wegstehlen und im Büro anrufen, aber vor Alexandra Law gibt es kein Entkommen. Sie nimmt hingerissene Kritiken für Genevieves Jungfrau Maria und ihre selbst gebackenen Nürnberger Lebkuchen entgegen. Alexandra nimmt einen von meinen Mince Pies, sticht einen misstrauischen Fingernagel in den ihn krönenden Hügel von Puderzucker, ehe sie sich alles auf einen Satz in den Mund schiebt und durch einen Krümelhagel ihr Urteil kundtut. «Sen-schat-schionelle Mince Pies, Kate. Hast du die Trockenfrüchte in Brandy oder in Grappa eingelegt?»
«Ach, ein bisschen hiervon, ein bisschen davon, Alex, du kennst das ja.»
Sie nickt. «Ich hab dran gedacht, nächstes Jahr alle zu bitten, Stollen zu machen. Was hältst du davon? Hast du ein gutes Rezept?»
«Nein, aber ich kenne einen Supermarkt, der eins hat.»
«Ha-ha-ha-ha! Sehr gut! Ha! Ha! Ha!»
Alexandra ist die einzige Frau, die ich kenne, die lacht, als würde sie es ablesen. Freudlos, keuchend, Schultern wie Ted Heath. Jetzt fragt sie mich gleich, ob ich inzwischen Teilzeit arbeite.
«Und, arbeitest du jetzt Teilzeit? Nein. Immer noch voll? Gott im Himmel! Ich weiß nicht, wie du das schaffst, ehrlich. Ach, hallo, Claire, ich sage gerade zu Kate, ich weiß nicht, wie sie das schafft. Kannst du dir das vorstellen?»
19.27: Die Anstrengung, ein Engel zu sein, fordert ihren Tribut von Emily. Sie ist so fertig, dass ich schätze, ich kann drei Seiten von ihrer Gutenachtgeschichte überschlagen, ohne dass sie es merkt. Muss den E-Mail-Rückstand abarbeiten. Aber gerade, als ich die entsprechenden Seiten umblättere, geht ein argwöhnisches Auge auf.
«Mummy, du hast einen Fehler gemacht.»
«Tatsächlich?»
«Du hast das Stück ausgelassen, wo Ferkel in Kängas Tasche springt!»
«Ach du liebe Zeit, hab ich das?»
«Macht nichts, Mummy. Wir können ja einfach nochmal von vorne anfangen.»
20.11: Der Anrufbeantworter, der auf dem Tisch neben dem Fernseher steht, ist voll. Jemand antwortet im Westküstendialekt auf meinen Anruf bei KwikToy wegen der ungelieferten Weihnachtsgeschenke: «Bedauerlicherweise werden die bestellten Posten aufgrund unvorhergesehener Nachfrage nun erst zum Jahresende lieferbar sein.»
Himmel. Sind die denn wahnsinnig geworden?
Darauf folgt eine Nachricht meiner Mutter, die den größten Teil des Bandes einnimmt. Meine Mutter traut der modernen Technologie nicht und lässt immer noch Pausen für die Antworten der Person am anderen Ende der Leitung. Sie
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