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Working Mum

Working Mum

Titel: Working Mum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Pearson
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den Klang. Stelle mir vor, was es bedeutet. Ich bin verheiratet und bin kein Weib, habe Kinder und bin keine Mutter. Was bin ich?
    Ich kenne eine Frau, die solche Angst hat vor den Bedürfnissen ihrer Kinder, dass sie, statt nach der Arbeit nach Hause zu gehen, lieber in einer Weinbar sitzt, bis sie eingeschlafen sind.
    Ich kenne eine Frau, die ihr Baby um halb sechs Uhr morgens weckt, damit sie etwas Zeit mit ihm verbringen kann.
    Ich kenne eine Frau, die in einer Talkshow davon geredet hat, am Schullauf teilzunehmen. Ihr Kindermädchen hat mir erzählt, sie wisse kaum, wo die Schule ihrer Kinder liegt.
    Ich kenne eine Frau, die vom Babysitter am Telefon von den ersten Schritten ihres Kindes gehört hat.
    Und ich kenne eine Frau, die durch eine Nachricht, die das Kindermädchen ihr vorlas, herausfand, dass ihr Mann sie verlassen hatte.
    Ich liege lange Zeit im Bett, vielleicht Stunden, und warte, dass ich anfange, etwas zu fühlen. Und schließlich kommt es. Ein Gefühl, das ebenso intensiv und vertraut wie schockierend fremd ist. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich weiß, was es ist: Ich will zu meiner Mutter.

34
    Nach Hause zu Mum
    Sosehr ich mich auch anstrenge, ich habe keinerlei Erinnerungen daran, dass meine Mutter sich mal hingesetzt hätte. Immer stand sie. Sie stand an der Spüle und hielt einen Topf unter fließendes Wasser, sie stand am Bügelbrett, stand am Schultor in ihrem guten dunkelblauen Mantel, sie brachte die Teller mit dem warmen Essen aus der Küche herein und trug sie wieder hinaus. Es muss, sollte man meinen, eine Zeit zwischen dem Hereinbringen und dem Hinaustragen der Teller gegeben haben, in der sie gesessen und mit uns gegessen hat, aber daran erinnere ich mich nicht. Sobald die Teller aus dem Schrank gelassen wurden, betrachtete meine Mutter sie als Unordnung, und Unordnung galt es zu beseitigen. Man konnte den Bissen noch auf der Gabel haben, wenn der Teller leer aussah, schnappte meine Mutter ihn sich umgehend.
    Die Generation meiner Mutter war zum Dienen geboren worden, es war ihre Berufung und ihr Schicksal. Zwischen Schule – Routine, Sachen, die man macht, weil man es muss, schlechte Gerüche – und Mutterschaft – Routine, Sachen, die man macht, weil man es muss, schlechte Gerüche – lagen nicht mehr als ein paar Jahre. Diese Mädchen der fünfziger Jahre hatten ein Fenster zur Freiheit, aber das Fenster war nur selten breit genug, um hindurchklettern zu können – und überhaupt, was würde denn aus ihnen werden, wenn sie hinauskamen? Frauen wie meine Mutter erwarteten nicht viel vom Leben, und im Allgemeinen wurden sie vom Leben auch nicht enttäuscht. Sogar wenn die Männer, denen sie gedient hatten, sie verließen oder zu früh starben, an Herzinfarkten oder Magenproblemen, blieben sie oft auf ihren Posten, bereiteten Mahlzeiten zu, saugten Staub, rafften sämtliche Bügelwäsche von Kindern und Kindeskindern zusammen und setzten sich nie hin, wenn es sich denn vermeiden ließ. Es war so, als ob sie sich selbst durch das definierten, was sie für andere taten, und wenn diese Definition verloren ginge, stünden sie orientierungslos und verwirrt da.
    Für meine Generation, die viel später und manchmal zu spät Kinder bekam, war die Mutterschaft ein Schock. Von Opferbereitschaft stand nichts in unserem Vertrag. Nach fünfzehn Jahren als unabhängige Erwachsene fühlte sich der plötzliche Verlust der Freiheit so an, als hätte man einen Arm oder ein Bein eingebüßt. Verwoben mit dem intensiven Gefühl der Liebe für das Baby war ein dünner Faden des Verlusts, und vielleicht werden wir diesen Schmerz für immer spüren – wie die Amputierten.
    Was meine Mutter noch immer die Frauenemanzipation nennt, hatte gerade begonnen, als ich geboren wurde. Aber den Teil des Landes, in dem meine Eltern lebten, hat sie nicht erreicht, und das ist bis heute so geblieben. In einem Sommer ließ meine Mutter ihre Dauerwelle auswachsen und sich das Haar kurz schneiden. Eine leichte, luftige Frisur, die ihren elfenhaften Zügen schmeichelte. Julie und ich fanden sie wunderbar, sie sah so hübsch und frech aus. Aber als mein Dad abends nach Hause kam, sagte er: «Siehst ein bisschen aus wie eine Emanze, Jean.» Und ohne Widerworte ließ sie sich die Haare wieder wachsen, es musste nicht weiter darüber geredet werden.
    Als ich ein Teenager wurde, ging mir auf, dass Dinge gar nicht so waren, wie sie schienen: Obwohl die Männer um uns herum die Hauptrollen spielten, waren es die Frauen,

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