Working Mum
die die Show in Gang hielten, aber sie durften nie auf die Bühne. Es war ein Matriarchat, das vorgab, ein Patriarchat zu sein, nur damit die Jungs zufrieden waren. Ich hatte immer gedacht, das sei so, weil die Leute in unserer Gegend nicht so viel Bildung abbekommen hätten. Inzwischen glaube ich, dass die ganze Welt so ist, nur an manchen Orten verbirgt man es besser als an anderen.
DIE SCHREIE DER Kinder auf dem Schulhof schwirren durch die Luft. Die Schule ist ein roter Ziegelbau mit hohen Kirchenfenstern, sie stammt aus einer Zeit, in der die Leute auf Gott und Bildung gleichermaßen vertrauten. In der hinteren Ecke, neben dem Klettergerüst, beugt sich eine Frau in einem dunkelblauen Mantel vor. Als sie sich wieder aufrichtet, kann ich sehen, dass sie ein Taschentuch hält, das auf der blutigen Nase eines kleinen Mädchens haftet.
Meine Mutter ist Kindergartenassistentin. Sie arbeitet schon seit Jahren hier, eigentlich leitet sie den Kindergarten, aber sie läuft immer noch unter Assistentin. Weil Mum das mit sich machen lässt, Mum macht keinen Aufstand, und weil sie ihr als Assistentin weniger zahlen müssen. Es ist entsetzlich, wie wenig Geld sie kriegt. Als sie mir erzählt hat, wie viel sie ihr zahlen, habe ich gebrüllt vor Wut. Das werde ich innerhalb von drei Tagen für Taxis los. Aber wenn man Worte wie Ausbeutung benutzt, lacht meine Mutter nur. Sie sagt, sie mag den Job und sie kommt aus dem Haus. Außerdem hat sie einen guten Draht zu Kindern. Wenn Ihre Dreijährige eine blutige Nase hätte, dann würden Sie wollen, dass meine Mutter diejenige ist, die ihr die Hand hält, das können Sie mir glauben. Jean Reddy ist so etwas wie eine Wärmflasche in Menschengestalt, sie strahlt Trost aus.
Als sie über den Hof schaut, weiß sie sofort, dass ich es bin, aber es dauert noch eine Sekunde, bis die Freude ihr Gesicht erreicht.
«Oh, Katy, Liebes», sagt sie und kommt mit dem verwundeten Getrippel im Schlepp auf mich zu, «was für eine wunderbare Überraschung. Ich dachte, du bist in Amerika.»
«War ich. Bin vor ein paar Tagen zurückgekommen.»
Ich küsse sie auf die Wange, die kalt ist wie ein Herbstapfel. «Sieh mal, Lauren», sagt meine Mutter zu dem schniefenden Kind, «das ist mein kleines Mädchen. Sag hallo!»
Es klingelt, und das bedeutet das Ende von Mutters Schicht. Wir gehen nach drinnen, um ihre Tasche aus dem Lehrerzimmer zu holen. Auf dem Flur stellt sie mich Valerie, der Rektorin, vor. «Oh, hallo, Katharine, wir haben schon so viel von Ihnen gehört. Jean hat mir den Zeitungsausschnitt gezeigt. Sie haben Karriere gemacht, was?»
Ich will hier so schnell wie möglich raus, aber meine Mutter genießt es, mich vorzuzeigen. Die Art, wie sie ihre Hand auf meinen Arm legt und mich durch die Schar ihrer Kollegen manövriert, erinnert mich an Emily, die mich auf dem Fest in ihrer Schule stolz ihren Freundinnen vorgeführt hat.
Der Volvo steht vor der Schule und ist voll mit Kindersachen. «Wie geht es ihnen?», fragt Mum, als wir einsteigen. Ich sage ihr, dass es ihnen gut geht und dass sie bei Paula sind. Auf der Fahrt zu ihrer Wohnung kommen wir an meiner alten Schule vorbei, und sie seufzt. «Hast du das von Mr. Dowling gehört? Schrecklich.»
«Er ist vorzeitig in den Ruhestand gegangen, nicht?»
«Ja. Ein Mädchen. Kannst du dir vorstellen, dass ein junges Mädchen so was macht, Kath?»
Mr. Dowling war vor zwanzig Jahren der Fachleiter für Geschichte an meiner Schule gewesen, ein blinzelnder, milder Mann mit einer großen Begeisterung für das Elisabethanische England und die Lyrik des Ersten Weltkriegs. Vor ein paar Monaten hat ihm eine kleine Zicke aus der fünften Klasse seine Brille ins Gesicht geboxt, und bald darauf hat er sich pensionieren lassen. Mr. Dowling, der Archetyp des Gymnasiasten, war ein Opfer des Gesamtschulsystems geworden, das nach der Doktrin der Chancengleichheit für alle aufgebaut ist, was in dieser Gegend heißt, dass diejenigen, die etwas lernen wollen, in einer Klasse mit denen sind, die das nicht wollen.
«Man wird von dir erwarten, dass du auf allen Gebieten belesen bist, Katharine, aber wir haben sehr wenig Zeit», hat Mr. Dowling zu mir gesagt, als er mich auf die Zulassungsprüfung für Cambridge vorbereitete. Ich war die Einzige in meinem Jahrgang, die es versuchte, die Einzige, an die man sich überhaupt erinnern konnte, abgesehen von Michael Brain, der in Oxford aufgenommen worden war und Jura studiert hatte. Das war nach der
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