Working Mum
der Normandie gelandet, und hier scharen sie sich nun um mich, als sei ich ihr Kommandant.
Ich halte ihnen meine große Rede über das Geld – wie es wach ist, während ich schlafe, wie es sich um die Welt bewegt, welche faszinierende Macht es hat.
Dann feuern sie ihre Fragen auf mich ab. «Was sagen Sie zu Russland, Ma’am? Ist russisches Geld nicht absoluter Mist?»
«Haben Sie schon einen Euro gesehen?»
Es ist gut gelaufen. Unglaublich gut. Im Fahrstuhl erzählt mir ein grinsender Gary, dass die Jungs sonst nur bei Spielen der Knicks so aufdrehen. Jetzt sollte ich eigentlich zurück ins Hotel gehen und meine E-Mails abrufen, aber ich gehe eine Weile die Wall Street entlang und fühle mich wie elektrisiert. Auf der Ecke Third Avenue und Broadway halte ich ein Taxi an und lasse mich zwecks posttraumatischen Shoppings zu Barney’s fahren.
Der Laden übt sofort stabilisierende Wirkung auf mich aus. Ich nehme den kleinen Fahrstuhl zur obersten Etage, wo ich ein Abendkleid entdecke. Ich brauche kein Abendkleid. Ich probiere es an. Schwarz und fließend mit einem zarten geflochten Strassband an den Seiten und einem V bis unter die Büste, ein Kleid, in dem einst Charleston getanzt worden wäre. Ich habe so in etwa die Figur dafür. Ich habe nur nicht das Leben. Mein Leben hat die falsche Größe, es gibt keinen Platz darin für ein so schönes Kleid. Aber ist das nicht ein Teil des Reizes? Ein Kleid zu kaufen und zu hoffen, dass das passende Leben bald hinzukommt, wie ein unverzichtbares Accessoire? Als das Mädchen an der Kasse mir den Bon zum Unterschreiben reicht, schaue ich nicht mal auf den Betrag.
15.00: Das Hotelzimmer ist wie hundert andere, in denen ich gewohnt habe. Die Tapete ist beige mit geprägtem Muster, die Gardinen in kühnem Kontrast dazu sehen aus wie ein wild gewordenes Blumenbeet. Ich suche die Minibar nach Notfallschokolade ab und dann die Nachttischschublade. Da liegt die Gideon-Bibel und eine Sammlung von Sprüchen aus allen großen Weltreligionen, die für den zeitgenössischen Touch sorgt.
Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Wenn ich jetzt zu Hause anrufe, müssten die Kinder im Bett sein. Ich erwarte, Richards Stimme zu hören, aber Paula ist am Apparat. Sie sagt, Richard habe sie gebeten, ein paar Nächte lang die Stellung zu halten, bis ich zurück bin, und er hat eine Nachricht für mich hinterlassen, die sie versprochen hat, mir persönlich zu übergeben.
Ich bitte Paula, den Umschlag aufzumachen und mir die Nachricht vorzulesen. Und wie spät es ist! Wo zum Teufel steckt er. Ich denke an all die Dinge, die mein Mann tun könnte, um mitzuhelfen, während ich nicht da bin, als unser Kindermädchen seine Worte laut vorzutragen beginnt.
«Ich versuche schon seit einer ganzen Weile, mit dir zu reden, aber ich finde es immer schwieriger, deine Aufmerksamkeit zu bekommen.»
«Ja, aber steht da auch, wann er zurückkommt?»
«Kate, kannst du mich hören. Hörst du mir zu?»
«Natürlich kann ich dich hören, Paula.»
«Nein, das ist von Richard. Die Nachricht. Er sagt: ‹Kate, kannst du mich hören. Hörst du mir zu?›»
«Oh, klar, tut mir Leid. Mach weiter.»
«Es tut mir so Leid, mein Liebling, dass wir diesen furchtbaren Imp …»
«Was für ein Imp?»
«… ass.»
Meine Güte nochmal. «Wie schreibt man das?»
Paula spricht jeden Buchstaben ganz deutlich aus.
«I.M.P.A.S.S.E»
«Oh, impasse. Ich verstehe. Das ist französisch, weißt du … na, wie auch immer, was weiter?»
Paula hört sich an, als hätte sie Zweifel. «Ich weiß nicht recht, ob ich das tun sollte, Kate.»
«Nein, bitte, mach weiter. Ich muss wissen, was er für Pläne hat.»
«Er sagt: ‹Wenn du mich brauchen solltest, ich werde für ein paar Nächte bei David und Maria bleiben, bis ich etwas Eigenes finde.› Er sagt: ‹Keine Sorge, ich werde Emily trotzdem von der Schule abholen.›»
Es kann also tatsächlich geschehen. Im wirklichen Leben. Etwas, das man in schlechten Fernsehfilmen gesehen hat und darüber hinweggegangen ist, weil es so unglaubwürdig war. Nur dieses Mal kann man nicht darüber hinweggehen. Und vielleicht auch nie wieder zurück. In einem Moment ist die Welt ungefähr so, wie sie sein soll, ein bisschen steinig vielleicht und ein wenig kahl, aber immer noch die Welt, die man kennt, und dann plötzlich spürt man, wie der Boden unter den Füßen einbricht. Mein Mann, Richard der Vernünftige, Richard der Verlässliche, Richard der Fels in der Brandung, hat mich
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