Working Mum
hat angerufen, weil sie sagen wollte, wir sollten uns keine Sorgen machen, sie werde Weihnachten sicher gut ohne uns zurechtkommen. Irgendwie ist das schmerzhafter, als jede Beschwerde es sein könnte. Eins von diesen Knockout-Spielen, die Mütter im Laufe der Jahrhunderte perfektioniert haben: Zuerst machen sie einem Schuldgefühle, dann nervt es, dass man sich Schuldgefühle hat einreden lassen, wonach es einem nur noch schlechter geht.
«Ich hab Bücher für Emily und Ben mit der Post geschickt und eine Kleinigkeit für dich und Richard. Ich hoffe, es ist das Richtige.» Sie hat immer Angst, keine Freude zu bereiten.
Nach dem müde-vorwurfsvollen Ton meiner Mutter ist es eine Erleichterung, die Stimme von Jill Cooper-Clark zu hören, die mir frohe Weihnachten wünscht. Tut ihr Leid, dass sie es dieses Jahr mit den Weihnachtskarten nicht geschafft hat, sie war etwas schlapp – Lachen –, obwohl ihr neuer Spezialist wenigstens aussieht wie Dirk Bogarde. Sie wünscht uns alles Gute und bittet mich darum, doch irgendwann einmal anzurufen.
Am Ende höre ich eine Stimme, die derart bar jeder menschlichen Wärme ist, dass ich sie kaum erkenne: Janine, eine frühere Börsenmakler-Freundin. Janine hat ihre Arbeit letztes Jahr aufgegeben, als die Firma ihres Mannes an der Börse ganz nach oben schoss und Graham zu der Sorte Reichtum kam, die einem eine Yacht namens Tabitha beschert, die vormals einem Vetter von Aristoteles Onassis gehört hat. Als Janine noch arbeitete, waren wir Verbündete und in der kampfermatteten Kameraderie derjenigen verschworen, die einen Haushalt zu führen haben, während sie sich auf Männerterritorium durchzuschlagen versuchen, ohne von Heckenschützen erledigt zu werden. Dieser Tage besucht Janine Nachmittagskurse im Chelsea Physic Garden und lernt, wie man das Optimum aus seinen Blumenkästen herausholt. Sie ist im Besitz von Sommer- und Winterbezügen für ihre Sofas, die jeweils zur korrekten Jahreszeit gewechselt werden, und vor kurzem hat sie alle Familienfotos in gepolsterten Alben arrangiert, die auf dem Beistelltisch in ihrem Wohnzimmer den milden Duft von Leder und Zufriedenheit ausdünsten. Als ich Janine letztes Mal gefragt habe, was sie so macht, gurrte sie ein wenig und sagte: «Ach, du weißt schon, ich puzzele so herum.» Nein, ich weiß nicht. Herumpuzzeln und ich, wir sind einander meines Wissens noch nicht vorgestellt worden.
Janine ruft an, weil sie wissen will, ob wir zu ihrem Silvesterdinner kommen. Tut ihr Leid, uns stören zu müssen. Hört sich nicht so an, als ob es ihr Leid tut. Sie verspritzt das Gift einer verärgerten Gastgeberin.
Was für ein Silvester-Dinner? Minutenlange Ausgrabungen auf dem Flurtisch – Flugblätter vom Tandoori-Takeaway, trockenes Laub, ein einzelner brauner Handschuh – bringen einen Stapel ungeöffneter Weihnachtspost zum Vorschein. Ich blättere die Umschläge durch, bis ich auf den mit Janines sorgfältiger Handschrift stoße. Er enthält eine Karte mit einer Fotomontage von Graham, Janine und ihren absolut sorgenfreien Kindern plus einer Einladung zum Dinner. U.a.w.g. bis 10. Dezember.
Jetzt mache ich, was ich bei solchen Gelegenheiten immer mache: Ich schiebe die Schuld auf Richard. (Es muss nicht sein Fehler sein, aber irgendwer muss Schuld haben, oder wie ist das Leben sonst auszuhalten?) Auf dem Küchenfußboden kniend, bastelt Rich für Ben ein Rentier aus Pappe und aus etwas, das so aussieht wie der fehlende Handschuh. Ich sage ihm, dass wir nicht mal mehr in der Lage sind, die Veranstaltungen abzusagen, an denen wir nicht teilnehmen können: Unsere gesellschaftliche Ächtung ist beinahe perfekt. Plötzlich überkommt mich ein Verlangen danach, eine der Frauen zu sein, die Einladungen postwendend beantworten, auf dickem, sahneweißem Briefpapier mit einer William-Morris-Bordüre. Und mit dem Füllfederhalter, nicht mit irgendeinem ausgetrockneten türkisen Filzer, den ich aus Emilys Federmäppchen gerissen habe.
Rich zuckt die Achseln. «Hör doch auf, Kate. Du würdest den Verstand verlieren.»
Vielleicht, aber es wäre schön, die Wahl zu haben.
23.57: Das Bad. Mein liebster Ort auf Erden. Ich beuge mich über die Wanne und räume die Pingu-Figuren und die abgewrackte Galeere weg und löse die Plastikbuchstaben vom Rand ab, die sich, seit die Vokale das Klo hinuntergespült worden sind, zu zornigen kroatischen Flüchen reihen (scrtzchk!). Ich hebe den dreckverklebten, halb trockenen Barbie-Waschlappen auf, der
Weitere Kostenlose Bücher