World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
Thema zu befassen, schwand wieder.
Dann fällte Präsident Bush gegen Jahresende sehr viel schneller, als von seinen Mitarbeitern erwartet, eine Entscheidung. Es ging um eine jener verdeckten Maßnahmen, die der Präsident persönlich genehmigen muss. Für die Behandlung des Vorschlags war eine Stunde vorgesehen. Die Diskussion dauerte nur fünf Minuten. Es wurde Bush nie eine verdeckte Maßnahme vorgeschlagen, die ihm nicht gefallen hätte. Nun waren 55 Minuten übrig, die der Nachrichtendienstkoordinator Mike McConnell nutzen wollte. Die für Fragen der nationalen Sicherheit verantwortlichen Kabinettsmitglieder waren allesamt anwesend. McConnell schlug vor, über eine Bedrohung für das Finanzwesen und die amerikanische Wirtschaft zu sprechen. Er berichtete über den Netzkrieg und die Verwundbarkeit der Vereinigten Staaten durch elektronische Attacken. Besonders verwundbar sei der Finanzsektor, der sich von einer Attacke mit dem Ziel der Datenvernichtung nicht erholen werde. Ein solcher Angriff werde der Wirtschaft unvorstellbaren Schaden zufügen. Bush war verblüfft und wandte sich an Finanzminister Hank Paulsen, der McConnells Einschätzung beipflichtete.
An diesem Punkt sprang Bush, der an dem großen Tisch im Oval Office gesessen hatte, beinahe in die Luft. Er trat rasch vor den Tisch und begann zu gestikulieren, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Die Informationstechnologie soll unser Vorteil sein, nicht unsere Schwäche. Ich will, dass das in Ordnung gebracht wird. Ich will einen Plan sehen, und zwar bald, sehr bald.« Die Resultate waren die Comprehensive National CybersecurityInitiative (CNCI) und Präsidialdirektive PDD 2 54 zur Nationalen Sicherheit. In diesen beiden nicht veröffentlichten Dokumenten wird ein kostspieliger Zwölfpunkteplan zur Sicherung der vernetzten Systeme vorgeschlagen, wobei das Augenmerk jedoch auf dem Schutz der Regierungsnetze liegt. Sonderbarerweise bezieht sich der Plan nicht auf jenes Problem, das seinerzeit Gegenstand der Diskussion im Oval Office war, nämlich auf die Verwundbarkeit des Finanzsektors durch Attacken aus dem virtuellen Raum.
Dennoch forderte Bush für seine »umfassende nationale Cybersecurity-Initiative«, die tatsächlich weder umfassend noch national war, 50 Milliarden Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die Initiative stellte einen Versuch dar, »das Ausbluten« der Systeme des Verteidigungsministeriums und der Nachrichtendienste zu stoppen, wie es ein Insider ausdrückt. Das sekundäre Ziel der Maßnahmen waren die übrigen Regierungsstellen. Die Initiative, die von Kritikern auch als milliardenschweres »Flicken-und-beten-Programm« bezeichnet wurde, diente nicht dazu, die Verwundbarkeit des Privatsektors einschließlich der »kritischen Infrastrukturen« zu verringern. Diese schwierigere Aufgabe hinterließ man der nächsten Regierung.
Im Rahmen der Cybersecurity-Initiative sollten auch eine »Abschreckungsstrategie und eine deklaratorische Doktrin für den Informationskrieg« entwickelt werden. Die entsprechenden Bemühungen sind mittlerweile weitgehend aufgegeben worden. Im Mai 2008 kritisierte der Streitkräfteausschuss des Senats die Geheimhaltung der Initiative in einem öffentlichen Bericht mit einem eher banalen Kommentar: »Es ist schwer vorstellbar, wie die Vereinigten Staaten in der Lage sein sollen, eine sinnvolle Abschreckungsdoktrin zu formulieren, wenn sämtliche Informationen über unsere Fähigkeiten und Einsatzkonzepte geheim sind.« Bei der Lektüre dieser Feststellung musste ich daran denken, wie Dr. Strangelove im gleichnamigen Film den sowjetischen Botschafter rügt, weil Moskau die Existenz seiner nuklearen »Weltvernichtungsmaschine« geheim hält: »Natürlich ist eine Weltvernichtungsmaschine sinnlos, wenn man sie geheim hält ! Warum haben Sie der Welt nichts darüber gesagt?« Der Grund dafür, dass wir unsere virtuelle Abschreckungsstrategie geheim halten, ist vermutlich, dass wir keine gute Strategie haben.
Obama hat alle Hände voll zu tun
Als Barack Obama im Jahr 2009 sein Amt antrat, musste er sich einer anderen Schwachstelle des Finanzsektors zuwenden. Auch in diesem Fall waren die Probleme dadurch entstanden, dass sich die Wirtschaft allen Versuchen, neue staatliche Vorschriften einzuführen oder die Durchsetzung der geltenden Bestimmungen ernsthaft in Angriff zu nehmen, erfolgreich widersetzt hatte. Die Hypothekenkrise und die komplexen Transaktionen auf den Märkten für Finanzderivate
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