World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
ein.
Kurz vor der Amtseinführung Obamas legten Paul Kurtz und ich dem neuen Team im Weißen Haus den Entwurf einer Präsidialentscheidung vor, in der die Vorschläge umgesetzt wurden, die Obama in seiner Rede an der Purdue University vorgelegt hatte. Wir waren der Meinung, dass sich die Gegner dieser Maßnahmen formieren würden, um das Vorhaben zu stoppen, sollte Obama zu lange warten und eine Überarbeitung des Plans zulassen. Obwohl die hochrangigen Mitarbeiter des Weißen Hauses das Problem verstanden und eine rasche Entscheidung befürworteten, gaben sie ihr verständlicherweise keinen Vorrang. Stattdessen kündigte das Weiße Haus eine zweimonatige Überprüfungan, die von einer der Personen geleitet werden sollte, die federführend an Präsident Bushs CNCI beteiligt gewesen waren. Diesen Schritt tat man, obwohl Jim Lewis und die CSIS-Kommission für Cybersecurity der 44. Präsidentschaft bereits seit mehr als einem Jahr an einem Konsens über die Maßnahmen arbeiteten, die der neue Präsident ergreifen sollte. Sie lieferten ihren Bericht am 8. Dezember 2008 ab. Als der Präsident 110 Tage später die Resultate bekanntgab, war das Erwartete geschehen: Wir waren wieder bei der CNCI angelangt. Die Cybersecurity-Initiative war nun durch ein Cyber Command bereichert worden, nicht jedoch durch eine Strategie für den Netzkrieg oder um ein umfassendes Programm zur Verteidigung des Privatsektors. Es war keine Rede davon, einen internationalen Dialog über den Cyberkrieg anzuregen. Und wie sein Vorgänger schloss der neue demokratische Präsident staatliche Eingriffe kategorisch aus: »Ich möchte es ganz klar sagen: Meine Regierung wird der Wirtschaft keine Sicherheitsnormen diktieren.«
In seinen öffentlichen Erklärungen nach der Überarbeitung der Cybersecurity-Vorschläge verriet Obama nichts darüber, wer der Cybersecurity-Zar des neuen Weißen Hauses werden sollte. Von den geeigneten Kandidaten wollten nur wenige diesen Posten, was vor allem daran lag, dass er mit keinerlei erkennbaren Befugnissen verbunden war und dass dieses Amt nun dem Wirtschaftsberater sowie dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt war. Der Wirtschaftsberater war der geschasste frühere Harvard-Präsident Larry Summers, der keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass seiner Meinung nach der Privatsektor und die Marktkräfte auch ohne zusätzliche staatliche Eingriffe alles Nötige zur Bewältigung der Gefahren des Netzkriegs tun würden. Die Monate verstrichen, und ein Kandidat nach dem anderen erteilte dem Weißen Haus eine Absage: Niemand hielt das Amt des Cybersecurity-Beraters für erstrebenswert.
So hatte Präsident Obama in seinem ersten Amtsjahr niemanden, der ein die gesamte Regierung umspannendes, integriertesProgramm für die Cybersecurity oder den Cyberkrieg in die Wege leiten konnte. Die verschiedenen Ministerien und Behörden verfolgten ihre eigenen Vorhaben oder taten überhaupt nichts. Die beiden Einrichtungen, die die Verteidigung des Landes gegen Attacken aus dem virtuellen Raum hätten organisieren sollen, waren das Cyber Command (für die Verteidigung der Streitkräfte) und das Heimatschutzministerium (für die Verteidigung von allem anderen). Der Leiter des Cyber Command blieb im Jahr 2009 weitgehend im Hintergrund, weil sich der Senat noch nicht dazu durchgerungen hatte, ihm seinen vierten Stern zu verleihen. Um zum Vier-Sterne-General befördert zu werden, musste Keith Alexander erst einem Senatsausschuss Rede und Antwort stehen, und diesem Ausschuss war nicht ganz klar, welche Funktion das Cyber Command eigentlich erfüllen sollte. Senator Carl Levin aus Michigan bat das Pentagon, dem Ausschuss eine Erläuterung der Aufgabenstellung und der Strategie des neuen Kommandos zu übermitteln. Vorher war er nicht bereit, eine Anhörung zur Bestätigung Alexanders anzusetzen.
Während Senator Levin herauszufinden versuchte, was das Cyber Command eigentlich verteidigen sollte, und General Alexander auf seine Anhörung wartete, machte ich mir meine Gedanken darüber, was das Heimatschutzministerium eigentlich beschützen sollte. Also ging ich direkt zur Quelle und erkundigte mich bei Ministerin Janet Napolitano. Sie war so freundlich, mich in ihrem Büro zu empfangen. Das neue Ressort ist nicht wie andere amerikanische Ministerien in einem monumentalen Gebäude oder in einem der modernen Bürokomplexe in der Nähe der National Mall untergebracht, sondern hat seinen Sitz in einem mit Stacheldraht eingezäunten Lager
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