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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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dahin.
    Jan grinste immer noch, als hätte er das Schwerefeld seines Alkoholrausches überwunden und ein Reich schwindelerregender Leichtigkeit erreicht. »Von ihm hier«, sagte er und deutete mit einem abrupten Lachen auf Mohonk. »Von Mohonk, dem Sohn des Sachoes.«
    Der Sohn des Sachoes zuckte nicht mit der Wimper. Jeremias musterte ihn eine Sekunde lang und wandte sich dann wieder an Jan. »Also?« fragte er.
    Plötzlich senkte der alte Kitchawanke den Kopf und begann, mit den Füßen zu scharren. »Ay-yah, neh-neh«, skandierte er, »ay-yah, neh-neh«, doch Mohonk unterbrach ihn scharf. Er stieß etwas hervor, rauh und schnell wie eine Gewehrsalve, und der alte Jan sah blinzelnd auf. »Er will seinen Sohn zurück.«
    Hätten die drei nicht so jammervolle Figuren abgegeben, wäre der alte Jan vom Alter, von den Pocken und vom Fluch des Feuerwassers weniger ausgezehrt gewesen, wäre Mohonk nicht ein so degenerierter Schwächling und der Halbstarke ein bißchen gewitzter gewesen, hätte alles ganz anders ausgehen können. Wie die Dinge jedoch lagen, machten sie einen entscheidenden Fehler. Der über das Ansinnen erzürnte Jeremias wehrte mit schroffer Gebärde und einem nachdrücklichen »Nee!« ab und trat dann zurück, um die Tür zuzuschlagen; genau diesen Augenblick suchte sich der Halbstarke aus, um den Tomahawk zu schleudern. Die Waffe sauste mit todbringendem Schwirren durch die Luft, prallte allerdings von der Türkante ab und fiel mitten im Zimmer harmlos zu Boden. Einen Moment lang – nur ganz kurz, den Bruchteil eines Sekundenbruchteils lang – machten die Indianer einen reumütigen und zutiefst beschämten Eindruck, dann stürmten sie auf die Tür los.
    Oder vielmehr der Halbstarke. Mohonk drängte seinen langen, breiten Fuß, der in einem schmutzigen Mokassin steckte, zwischen Tür und Rahmen, während der alte Jan das Gleichgewicht verlor, ein überraschtes Grunzen ausstieß und mit dem Hinterteil auf der feuchten Erde aufsaß.
    Als Reaktion auf die Bedrohung stieß Jeremias seinem einstmaligen Schwager die Tür gegen den Fuß, und als sie nach dem Kontakt mit diesem knochigen Beinfortsatz zurückprallte, hatte er zu seiner Verblüffung plötzlich den ehrwürdigen pogamoggan in der rechten Hand. (Neeltje hatte sich an ihren Vater erinnert und die Keule aus der Kaminecke geholt.) Als erster durch die Tür gestürzt kam der Halbstarke, unter dessen verlaufener Kriegsbemalung das unsichere Gesicht eines Fünfzehnjährigen zu sehen war; ihn traf die volle Wucht des Granitbrockens in den Unterleib, und er ging stöhnend zu Boden, wo er sich mehrere Minuten lang krümmte wie ein Aal im Topf. Mohonk hüpfte auf einem Bein herum und hielt sich mit beiden Händen den schmerzenden Fuß. Jeremias führte einen halbherzigen Schlag nach ihm, der aber danebenging und unter einem Schauer von Holzsplittern in die Wand krachte.
    Dann jedoch nahm die Sache eine häßliche Wendung. Denn Mohonk, der in seiner Würde verletzt war, fletschte die Zähne, setzte den schmerzdurchzuckten Fuß ab und zog ein spitzes Knochenmesser aus den untadeligen Falten seines Waschbärmantels. Und dann kam ebendieser Mohonk – Liebhaber und Verführer von meisjes und Squaws, Erzeuger von Jeremias’ Neffen und Gatte seiner teuren, toten, geliebten Schwester – auf Jeremias zu, und der Sinn stand ihm nach Mord.
    Wenn er später daran zurückdachte, erinnerte sich Jeremias an das Gefühl dieser primitiven Waffe in seiner Hand, an das Wippen des Kirschholzgriffs, als der Schlagstein wie aus eigenem Antrieb vorwärtsschnellte, und den todbringenden, feuchtdumpfen Aufprall gleich darauf, der den Schädel des Indianers zerschmetterte wie einen angefaulten Kürbis. Er erinnerte sich auch an den Blick seines Neffen – des Jungen, der zu klein war, um zu verstehen, wer dieser hagere, stürzende Riese war, und doch mit diesem Moment ein Bild verknüpfte, das er sein Leben lang nicht vergessen sollte –, und dann an den Rückzug des gedemütigten Halbstarken, und an das endlose, keuchende, markerschütternde Wehklagen des alten Jan.
    Mohonk, die letzte Frucht von Sachoes’ Lenden, war niedergestreckt worden.
    Jeremias tat es leid. Von Herzen leid. Doch er hatte nur getan, was jeder andere in seiner Situation auch getan hätte: sein Heim und seine Familie waren bedroht worden, und er hatte sie verteidigt. Zerknirscht und reuevoll bettete er die Leiche danach auf den Tisch und ließ den schout holen. Stunden später machte sich der alte Jan,

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