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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Zwischenwelt einer traumlosen Ohnmacht, worauf er sich sofort jongheer Van Wart als nächstem Gegner zuwandte.
    Der Gutshof-Erbe jedoch wirkte wie jemand, der in der Opernloge kurz eingenickt war und plötzlich mitten in einer Bärenhatz erwachte. In dem Moment, da der schout dumpf auf den Boden aufschlug, erlosch das Grinsen auf den Lippen des jongheer . Dies hier war mehr, als er eingeplant hatte. Es war schmutzig, primitiv, tierisch – es besaß so ganz und gar keinen Platz im Erfahrungsschatz eines gebildeten Menschen. Er versuchte, sich aufzurichten und die Autorität seines Vaters, des patroon , auszustrahlen, dessen Rechte, Privilegien und Pflichten dereinst auf ihn übergehen würden. »Legt sofort Eure Waffe nieder«, befahl er mit einer Stimme, die ihm selbst fremd vorkam, »und ergebt Euch der rechtmäßigen Gewalt des patroon !« Dann wurde er leiser. »Ihr seid von jetzt an in meinem Gewahrsam.«
    Neeltje war über ihren Vater gebeugt, drückte ein Taschentuch an seinen Kopf. Das Kind hatte mit dem schauerlichen Gebrüll aufgehört, und Jeremias stützte sich gegen eine Stuhllehne. Die Steinkeule baumelte, mit menschlichem Haar und Blut verklebt, lose in seiner Hand, und die Narbe prangte deutlich sichtbar auf seinem Gesicht. Er gab keine Antwort, sondern wandte nur den Kopf und spuckte aus.
    »Vader, vader!« weinte Neeltje. »Weißt du nicht, wo du bist? Ich bin’s, die kleine Neeltje. Deine Tochter.« Der schout stöhnte. Auf das Dach trommelte der Regen. »Bei allem gebührenden Respekt, mijnheer «, sagte Jeremias, der sich sichtlich mit Mühe beherrschte, »Euch mag die Milchkuh gehören, der Boden unter meinen Füßen und das Haus, das ich mit meinen eigenen Händen erbaut habe, aber Neeltje gehört Euch nicht. Und ich ebensowenig.«
    Der jongheer hielt den Degen vor sich ausgestreckt, als wäre es eine Angel oder eine Wünschelrute, als wüßte er nicht recht, wofür er gut sei. Er war bis auf die Haut durchnäßt, seine Kleider waren verschmutzt, ruiniert, und die Hutfeder der Autorität hing schlaff über die Krempe herab. Dennoch lächelte er wieder. »O doch«, sagte er so leise, daß es kaum zu hören war, »o doch, das alles gehört mir.«
    Daraufhin schwang sich Jeremias lässig die Kriegerkeule über die Schulter, so daß die Last des Steinbrockens das Holz wie den Arm eines Katapults durchbog. Die Tür stand immer noch offen, und der urtümliche Geruch der Erde stieg ihm in die Nase, ein Duft von Lebenskraft und Fäulnis, von Geburt und Tod. Er blickte dem jongheer direkt ins Gesicht. »Dann kommt doch und holt mich«, sagte er.
    Zwei Wochen später, an einem Nachmitag im Mai, so mild und himmlisch wie jener damals, als sie sich zwischen den Pelzen und Fässern in Jan Pieterses Handelsniederlassung zum erstenmal getroffen hatten, wurden Neeltje Cats und Jeremias Van Brunt von dem kleinlauten, feierlichen Pastor Van Schaik getraut, keine zehn Meter von der Stelle entfernt, an der Katrinchee begraben lag. Die Hochzeit war in jeder Hinsicht ein rauschendes Fest. Meintje van der Meulen buk drei Tage lang ununterbrochen und ihr Mann Staats zimmerte provisorisch zwei riesige Tische zusammen, die allen Zechern und Schlemmern von Sint Sink bis Rondout Platz boten. Für diesen Tag begruben selbst Reinier Oothouse und Hackaliah Crane das Kriegsbeil und tranken einträchtig auf das Wohl der Braut. Es gab Hirschbraten und Fisch, Käse und Kohl, es gab Geschmortes und Kuchen und Puddings. Zu trinken natürlich auch: ’Sopus-Ale, Apfelwein und holländischen Genever aus einem Steinkrug. Und Musik. Was wäre eine Hochzeit ohne Musik? Der junge Cadwallader Crane hatte seine Rohrflöte dabei, Vrouw Oothouse brachte neben ihrem mächtigen Hinterteil auch ein Tamburin ins Spiel, das mit einer Schweinsblase bespannt war; einer zupfte die Laute, ein anderer klopfte mit Holzlöffeln auf einen umgedrehten Kochtopf. Mariken Van Wart kam aus Croton herauf und tanzte den ganzen Nachmittag hindurch mit Douw van der Meulen, Staats wirbelte seine Meintje im frenetischen Taumel von »Jimmy-be-still« ein halbes dutzendmal herum, und Jan, der alte Kitchawanke, tanzte mit einem Bierkrug, bis die Sonne hinter den Bäumen versank. Neeltjes Schwestern waren herausgeputzt wie kleine Puppen, ihre Mutter weinte – ob vor Freude oder vor Kummer, wußte keiner so recht –, und der patroon schickte Ter Dingas Bosyn, den commis , als seinen offiziellen Vertreter. Die Krönung des Tages jedoch, da waren sich alle einig, war

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