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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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der Moment, als der schout , ganz in Schwarz wie bei einer Beerdigung, nur um den Kopf eine schneeweiße Bandage, so aufrecht, wie sein Leiden es eben zuließ, in blitzblanken neuen Lederstiefeln heldenmütig über den Hof schritt und die Braut freigab.
    Als Mohonk, der Sohn des Sachoes, drei Monate später auf der Schwelle des kleinen Bauernhofs von Nysen’s Roost erschien, war Jeremias ein anderer Mensch. Verschwunden war der wild funkelnde Blick des Rebellen, des armen Teufels, des ruhelosen Tiers; an seine Stelle war eine Miene getreten, die sich nur als restlos zufrieden beschreiben ließ. Tatsächlich hatte sich Jeremias noch nie im Leben glücklicher gefühlt. Das Getreide gedieh prächtig, Rot- und Schwarzwild waren zurückgekehrt, die primitive Kate hatte durch Anfügung eines zweiten Raumes den Status eines Wohnhauses erhalten, mit Möbeln, die Funktionalität mit gefälligen Formen verbanden, und jenem wesentlichen Symbol zivilisierten Lebens: einem sauberen, glattgehobelten und abgeschliffenen Dielenboden, volle fünfzig Zentimeter über dem kalten Lehm des Erdbodens. Und vor allem war da Neeltje. Sie war die Stimme in seinem Herzen, der gute Geist, der ihn nie verließ, auch wenn er im Kanu auf dem Fluß trieb oder mit der von Staats geliehenen Muskete die kahlen Hügel durchstreifte; sie umfing ihn wie eine zweite Haut, und jeder Augenblick mit ihr war wohltuend und heilsam. Sie bemutterte Jeremy, besorgte den Haushalt, spann, nähte und kochte, massierte ihm die Verspannungen aus den Schultern, saß mit ihm am Fluß, wenn im seichten Wasser die Fische hüpften und die blauen Schatten sich langsam über die Berge breiteten. Sie schloß Frieden mit ihrem Vater, sie gestaltete das vordere Zimmer wieder und wieder um, bis es aussah wie eine gutbürgerliche Stube in Schobbejacken. Sie tat ihr möglichstes, und noch einiges mehr. Wesentlich mehr: sie trug sein Kind unter dem Herzen.
    All dies sah der Indianer in Jeremias’ Gesichtsausdruck, als die Tür aufging. Doch schon im nächsten Augenblick veränderte sich dieser Ausdruck. » Du? « schluckte Jeremias. »Was willst du denn hier?«
    Mohonk war hagerer als je zuvor, sein Gesicht zerknittert und von den faltigen Spuren des ausschweifenden Lebens durchzogen. Er war eine Nase, ein Adamsapfel, zwei tief eingesunkene, starre, schwarze Augen. »Alstublieft« , sagte er, »dank U, niet te danken. «
    »Wer ist denn da?« rief Neeltje aus dem hinteren Zimmer. Sie hatten gerade zu Abend gegessen – Erbsensuppe, Brot, Käse und Bier –, und sie brachte Jeremy ins Bett. Es dämmerte schon, und im Haus war es dunkel geworden.
    Jeremias gab keine Antwort. Er stand in der Tür und wurde allmählich zornig. Es war dieser Mann gewesen, derselbe kotbeschmierte, gottlose, feige Wilde, der seine Schwester erst ruiniert und dann im Stich gelassen hatte. Und jetzt kam er hierher, dreckig und zerlumpt, schlaksig wie ein Storch, pflanzte sich vor dem Haus auf und konnte kein bißchen besser Holländisch als damals vor vier Jahren. »Ich hab nichts für dich«, sagte Jeremias, wobei er die Worte wie ein Sprachlehrer intonierte, deutlich und jede Silbe einzeln. »Verschwinde hier!« In diesem Moment berührte ihn etwas am Bein, und als er hinunterblickte, sah er Jeremy neben sich stehen. Der Junge starrte wie verzückt auf die Erscheinung im Waschbärfellmantel.
    »Alstublieft« , wiederholte Mohonk, drehte sich um und rief etwas in der Sprache der Kitchawanken; die Wörter polterten wie Steine aus seinem Mund.
    Daraufhin traten aus dem Schatten an der Hausecke zwei Indianer. Der eine war der breit grinsende alte Jan; er trug Fetzen aus speckigem Hirschleder am Leib und roch nach Sumpf. Der andere war ein junger Halbstarker, den Jeremias aus Jan Pieterses Laden kannte. Das Gesicht des Halbstarken war bunt bemalt, in seiner rechten Hand baumelte wie ein Spielzeug ein Tomahawk, der mit den Kammfedern von Tangare und Schneeammer geschmückt war. Instinktiv griff Jeremias nach unten und schob seinen Neffen zurück ins Haus. »Hast du eine Botschaft für mich?« fragte er und sah von dem jungen Indianer auf Jan.
    Die drei blieben vor der Schwelle stehen. Der Halbstarke verzog keine Miene. Jan grinste. Mohonk raffte seinen Mantel um sich, als wäre ihm kalt. »Ja«, sagte der alte Jan schließlich, »ich habe eine Botschaft.«
    Neeltje, die jetzt hinter ihrem Mann stand, drückte Jeremy an ihre Röcke und wiegte ihn sachte hin und her. Am Westhimmel schwand das Tageslicht

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