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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ermüdet vom tristen Geleier der eigenen, vom Whiskey gebrochenen Stimme, nach Indian Point zum Dorf der Kitchawanken auf, die traurige Nachricht zu überbringen.
    Am nächsten Morgen, so früh, daß die Erde noch keine Farbe angenommen hatte, erschien, schwer vornübergebeugt und um hundert Jahre gealtert, Wahwahtaysee die Leuchtkäferfrau, um die Leiche abzuholen. In der ganzen Gegend, von Croton bis hinauf zum Suycker Broodt, würden die Indianer diesen Angriff auf die Weißen büßen müssen – dafür würde der schout sorgen, und das wußte Wahwahtaysee. Ihr Stamm hatte die Mohawk überlebt, die Holländer und die Briten. Zorn war nutzlos. Vergeltung brachte nur Gegenvergeltung, Vergeltung brachte Ausrottung. So machte es eben das Volk der Wölfe: Täuschung und Verrat. Ein freundliches Lächeln und das Messer in den Rücken. Sie war nicht verbittert, nur verständnislos.
    Sie stand in dem dunklen Zimmer dieses unseligen Ortes, verströmte einen Duft, so wild und unvergänglich wie die Fährte des flinken Wesens mit dem dichten weißen Pelz, dem sie ihn verdankte, stieß ihren uralten Klagegesang aus und balsamierte die Haut ihres Sohnes mit den Salben und Harzen der Götter ein, als sie aufblickte und in der Zimmerecke eine kleine Gestalt mit dunklen Augen sitzen sah, eine Frau, eine weiße Frau mit einem Kind im Leib. Wahwahtaysee sah eine Weile in diese dunklen Augen, dann wandte sie sich wieder ihrem toten Sohn zu.
    Fünf Monate später, der Boden war mit einer Schneekruste bedeckt, setzten Neeltjes Wehen ein. Ihre Mutter war gekommen, um ihr beizustehen, eine Yankee-Hebamme war auch da. Ihr Vater, der schout , konnte sich noch nicht überwinden, das verderbte Haus wieder zu betreten, daher war er als Gast von Vrouw Van Wart im oberen Gutshaus aufgenommen worden, die dort wieder einmal in religiöser Einkehr ihren Leib kasteite. Jeremias wartete im vorderen Zimmer vor dem Kamin, neben sich den grünäugigen Neffen und den Adoptivvater, und lauschte den Schmerzensschreien seiner Frau. »Schon gut«, beschwichtigte Vrouw Cats hinter der Tür. »Na, na!« sagte die Hebamme.
    Irgendwann steigerten sich die Schreie zu einem Crescendo und wichen dann auf einmal einer Stille, so dicht wie das Verderben. Man hörte das Rascheln von Röcken, das Klappern von Pantinen auf Dielenbrettern, und schließlich einen neuen Schrei, dünn und zitternd, einen Schrei, der sich erst noch an Kehlkopf und Stimmbänder, an Lungen und Luft gewöhnen mußte. Gleich darauf erschien Vrouw Cats in der Tür. »Es ist ein Junge«, sagte sie.
    Ein Junge. Jeremias erhob sich, und auch Staats stand auf, um ihn zu umarmen. »Gratuliere, mijn zoon! « sagte Staats, zog die Pfeife aus dem Mund, legte ihm die Hände auf die Schultern und sah ihm tief in die Augen. »Habt ihr denn schon einen Namen für das Wunderkind?«
    Jeremias fühlte sich benommen und schwindlig, er fühlte sich, als hätte er die Grenzen jenes kleinen Lebens, das er bisher geführt hatte, überschritten und eine neue und glorreiche Stufe des Daseins erreicht. »O ja«, sagte er leise. »Ja, wir wollen ihn Wouter nennen.«

ZUSAMMENSTOSS NUMMER ZWEI
    In einer anderen Ära, in der man Fleisch und Brot in Plastikfolie kaufte und Kohlköpfe zwischen Zwiebeln und Broccoli unvermittelt in den Gemüseabteilungen der Supermärkte auftauchten, lehnte Walter Van Brunt an einem gemauerten Kamin im Haus eines ihm völlig Fremden, schlürfte lauwarmen Billigsekt aus einem Styroporbecher und verdaute gerade eine hirnrissige Tirade über die Bedeutung von Smaug dem Drachen für den Krieg in Südostasien. (» Logisch , Mann – ich meine, wie hätte Tolkien es denn noch deutlicher sagen können, ohne einen direkt mit der Nase drauf zu stoßen? – Smaug steht natürlich für Nixon, klar?«) Walter hatte schon einen mächtigen Rausch, ihm war halb übel, er war von Angst gepeinigt und von Reuegefühlen umschwirrt wie von pfeifenden Kugeln, und er versuchte gleichzeitig, noch betrunkener zu werden, in der Menge nach Mardi Ausschau zu halten und den Schwätzer abzuwehren, der ihn am Kamin festgenagelt hatte. »Und der feurige Atem ?« brüllte der Schwätzer, der das Haar zu Zöpfen geflochten trug, selbst einen ziemlich feurigen Atem verströmte und vor zwei Tagen seinen Einberufungsbefehl bekommen hatte. »Was glaubst du wohl, wofür der steht, na?«
    Walter hatte nicht die geringste Ahnung. Er schüttete den Rest des Sekts in sich hinein, der jetzt mit Styroporkrümeln durchsetzt war, und

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