Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
Schallplattenindustrie einen Reibach gemacht hatten. Sie waren seit langem Freunde von Will und Verehrer seiner Musik und außerdem für ihre großzügige Unterstützung gerechter Anliegen bekannt. Im Salon der Löwensteins ließ sich Will auf die weiße Leinencouch plumpsen, zupfte ein paar Lieder auf der Mandoline und dachte laut darüber nach, warum es eigentlich auf dem Hudson keine dieser alten Schaluppen mehr gäbe, diese Art Schiff, die man in Kneipen mit Namen wie »Zum Sicheren Hafen« oder »Walfängertreff« auf alten Gemälden und Daguerreotypien sah. Ihr wißt schon, sagte er, so große, stille Schiffe mit weißen Segeln, die den Menschen noch eine Beziehung zum Fluß vermittelten, und dann zeigte er ihnen ein paar Bilder aus Preservation Cranes Buch. Sol und Frieda wußten nichts davon, aber sie waren bereit, eine Stange Geld auszugeben, um es herauszufinden. Das Ergebnis war die Arcadia-Stiftung, achthundertzweiundsechzig Mitglieder stark, ein gemeinnütziger, steuerlich anerkannter Verein, der sich für die Säuberung des Flusses, für die Rettung des Löffelstörs, des Fischadlers und der Sumpflilie und für die Arcadia selbst einsetzte, für jeden der zweiunddreißig Meter dieser funktionstüchtigen Nachbildung einer der traditionellen Schaluppen, die den Fluß auf und ab fahren sollte, um für die gute Sache zu werben. Der Stapellauf von einer Werft in Maine war für den Nationalfeiertag, den 4. Juli, angesetzt.
    Tom war wie elektrisiert gewesen. Es war, als hätten sich in diesem einen erleuchteten Augenblick plötzlich all die disparaten Fragmente seines Lebens vereinigt. Hier war etwas, hinter dem er stehen konnte, ein Slogan, ein Banner, ein Daseinsgrund: Rettet den Fluß! Heil Arcadia! Alle Macht dem Volke! Hier bot sich die Gelegenheit, mit einem Schlag gegen den Krieg zu protestieren, sein extraterrestrisch-vegetarisch-gewaltloses Hippie-Credo auszuleben, dem Establishment einen Stachel ins Fleisch zu jagen und außerdem den Fluß sauber zu kriegen. Es war einfach perfekt. Der Name Will Connell stellte das Verbindungsglied zu den lang vergangenen Tagen des Kampfes dar, der den Boden geweiht hatte, auf dem seine Hütte heute stand, und der ökologische Aspekt an der Sache brachte die ungeklärten Fragen seines Jobs bei der Elektrizitätsgesellschaft Con Ed einer Lösung näher – mit seiner Erfahrung, seinem Grips und seinem Know-how konnte er als Mannschaftsmitglied an Deck der Arcadia gehen, vielleicht sogar als Kapitän! Die Neonröhren an der Decke knisterten, der kleine Redner erhob beschwörend die Faust, und Tom stellte sich vor, wie er am Ruder stand, der Retter armer kleiner Barsche und Neunaugen, Todfeind aller Flußverschmutzer, Raubritter, Kriegstreiber und Waisenmacher, auf seinem glorreichen Schiff, das mit hoch aufragendem Mast gischtend stromaufwärts fuhr wie die Arche Noah selbst, eine Bastion der Rechtschaffenheit, des Guten und des Lichts.
    Er trat am selben Abend bei. Am nächsten Morgen kündigte er den Zwei-Tage-die-Woche-Job bei Con Ed (er würde kein Formalin mehr einatmen!) und donnerte mit dem Packard hinüber nach South Bristol in Maine, wo die Arcadia vor Anker lag. Dort bot er unentgeltlich seine Mitarbeit als Zimmermann, Mechaniker, Topfschrubber und Handlanger an. Beim Stapellauf war er dabei, gehörte auf der Überführung von New England zum Hudson zur Mannschaft, und in zwei Wochen – waren es bloß noch zwei Wochen hin? – würde er einen Monat lang als Steuermann an Bord gehen.
    Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn. Allein der Gedanke daran – an alles: Liebe, Freiheit, die Bienen und das Segelboot – ließ ihn im Supermarkt umhertollen wie ein Clown im Narrenkostüm. Tatsächlich jonglierte er gerade zwei Orangen und eine Avocado, blickte starr auf seine Hände und vergrößerte langsam die Spannweite des Bogens, als er aufsah und Walter vor ihm stand.
    Es war ein Schock. Seine Stimmung verflog, die Konzentration war dahin. Eine der Orangen driftete nach rechts ab und verschwand in einem Korb mit Sojasprossen; die andere landete mit ekligem Klatschen auf seinem Fuß. Walter fing die Avocado auf.
    Der Heilige stieß ein Keuchen aus, murmelte zwei oder drei unsinnige Phrasen wie »Was kunst die Macht?« und fuhr sich aus Versehen mit dem Einkaufswagen über den kleinen Zeh des rechten Fußes.
    Walter gab keine Antwort. Er stand nur da, lächelte matt, ganz der weise Professor angesichts eines unbeholfenen Studenten. Zu Toms Erstaunen trug er elegante Schuhe,

Weitere Kostenlose Bücher