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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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so abzusetzen – das war unerhört, schlechthin unmöglich.
    Im nächsten Moment stand van den Post vor seinem patroon, grinsend wie ein Haifisch, auf dem Kopf den Hut mit der Silberfeder und das Rapier am Gürtel, und wartete auf weitere Instruktionen.
    »Heer schout «, sagte Stephanus mit so lauter Stimme, daß alle ihn hören konnten, »Ihr werdet diese zwei jungen Halunken mitnehmen«, wobei er auf Wouter und Jeremy Mohonk deutete, »und sie wegen Unbotmäßigkeit und Aufwiegelung im Rübenkeller des Gutshauses einsperren.«
    Dies hatte ein Raunen des Protestes unter den Bauern zur Folge, insbesondere seitens Staats van der Meulen, der sich wutschnaubend von den Resten seiner Mahlzeit erhob. Jemand nieste, und einer der Ochsen ließ einen Furz fahren. Robideaus Schnarchen sägte an der reglosen Mittagsluft. Keiner wagte es, Einspruch zu erheben.
    »Und wenn Ihr das getan habt, möchte ich, daß Ihr zu Nysen’s Roost hinaufreitet und den Pächter dort, einen gewissen Jeremias Van Brunt« – hier machte der patroon eine Pause und blickte drohend in die Gesichter der Leute, die sich unter den Bäumen scharten – »davon in Kenntnis setzt, daß seine Pacht hiermit gekündigt ist. Habt Ihr verstanden?«
    Van den Post krümmte sich nahezu vor Vergnügen. »Jo«, sagte er und leckte sich die Lippen. »Wollen wir heute noch räumen?«
    Vor lauter Zorn, Rage und Erbitterung hätte Stephanus um ein Haar ja gesagt. Doch dann setzte sich sein Pragmatismus durch, und er ließ sich erweichen, vor allem von dem Gedanken an das reife Korn auf den Feldern. »Im November«, sagte er schließlich. »Wenn er seine Pacht bezahlt hat.«

GARTEN EDEN
    Einen Zentimeter größer, zehn Pfund hagerer, die eingefallenen Wangen unter dem wild wuchernden Unkrautbart eines Propheten oder Wahnsinnigen verborgen, so schob Tom Crane, der selbsternannte Held des Volkes und Heilige der Wälder, fröhlich seinen Einkaufswagen durch die kühlen, schattigen Gänge im »Garten Eden« von Peterskill. Es war Hochsommer, und er war entsprechend gekleidet: Huaracho-Sandalen, gestreifte Hosen mit Schlag, auf denen man ein Picknick hätte veranstalten können, ein T-Shirt mit Batikmuster – konzentrische Zielscheibenringe in drei Schattierungen von Fuchsrot –, außerdem diverse Halstücher und Stirnbänder und funktionslos herumbaumelnde Lederstreifen, und über dem Ganzen ein zigeunerhaftes Gewirr von Perlen, Ringen, Cocopah-Gottesaugen, Atomgegner-Abzeichen aus Zinn, Black-Power-Ansteckern und Federn. Im Gegensatz dazu wirkte der Einkaufswagen geradezu spartanisch. Er war herrlich frei von den trügerisch glitzernden Schachteln mit den neuesten, verbesserten Wunderprodukten, die einem als Verbraucher von den tollwütigen Profitkrämern, den Werbefachleuten der Verpackungsindustrie aufgenötigt wurden. Der Heilige der Wälder ließ sich von bunten Schleifchen und falschen Versprechungen nicht ins Bockshorn jagen; er kaufte nur die Basisverpflegung – keine Tiefkühlkost, lediglich vegetarische Grundnahrungsmittel in schlichter Verpackung.
    Zu Hause in seiner Hütte, wo in den Dachbalken die Nager raschelten und zarte, irisierende Fliegen sich auf den fettigen Tellern niederließen, war die Speisekammer leer; zwar erbrachte der Gemüsegarten mehr Kohlrabi, Chinakohl und Rüben, als er verbrauchen konnte, aber es waren ihm diverse Grundstoffe ausgegangen – Feldbohnen, ungeschälter Reis, Hefe und Sojafleisch. Auch Seife und Spiritus, Ysop und Teriyaki fehlten ihm. Zum Frühstück hatte es Toast ohne Gemüsepaste, wäßrigen Tee aus dreimal ausgekochten Blättern und Hafergrütze ohne den kleinsten Schuß Kondensmilch gegeben, und nun war er der Meinung, es lange genug hinausgezögert zu haben. Deshalb war er hier, ging einkaufen. Fröhlich pfiff er ein schmissiges Arrangement von »76 Trombones« für Triangel und Kuhglocken mit, schockierte Witwen mit glasigen Augen in der Fleischabteilung und drückte an Grapefruits herum; sein Auf und Ab durch die Gänge des Supermarkts war eine klingelnde Spur wie ein Glockenspiel, und er verströmte einen ganz eigenen Geruch nach moderndem Laub, der ihn überallhin zu verfolgen schien. Insgesamt war er die glücklichste Seele zwischen Peterskill und Verplanck.
    Glücklich? Ja. War er doch inzwischen nicht mehr der geile, aber zölibatäre, mönchische Heilige, der er so lange gewesen war – die Dinge hatten sich geändert, radikal geändert: er hatte jetzt eine Gefährtin. Eine Bettgefährtin. Eine Geliebte,

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