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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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die im nassen Gras lagen. Irgendwo brüllte eine Kuh.
    Wouter wußte nicht, was er tun sollte. Er fürchtete sich. Vor dem Keller, vor dem Pranger und dessen grausam scheuerndem Griff, vor van den Post und vor dem patroon. Am liebsten wäre er heimgegangen und hätte sich dem Vater in die Arme geworfen, sich noch einmal alles von ihm erklären lassen – er war nicht mehr sicher, ob er alles richtig verstand. Er hatte dem patroon die Stirn geboten und seinen Vater verteidigt, er hatte Mut bewiesen, und was war der Lohn dafür? Schmerzen und Fußtritte, ein langgezogenes Ohr, nasse Hosen und verschimmeltes Brot. Er blickte den Hang hinab, an dem großen Haus vorbei und auf die Straße, die verlassen vor ihm lag. Fünfzehn Minuten. In fünfzehn Minuten könnte er zu Hause sein, seine moeder umarmen, das Aufblitzen in den Augen von vader beobachten, wenn er erzählte, was sie ihm angetan hatten ...
    Doch nein. Wenn er wegrannte, würden sie ihn holen kommen. Er sah es schon vor sich: ein Dutzend bewaffneter Männer, darunter der seltsame Schwarze, mit wildem Geschrei und belfernden Hunden, mit siedendem Teer und mit Federn, mit Fackeln, die die Nacht erhellten. Was hat er angestellt? würde einer von ihnen fragen, während sie ihn niederhielten, und ein anderer, unbeugsam wie der Tod, würde entrüstet erwidern: Was er angestellt hat? Na, frech geworden zum patroon ist er, die kleine Rotznase!
    Also biß Wouter Van Brunt, elf Jahre jung und leidgeplagter als mancher Siebzigjährige, die Zähne zusammen, um seine Tränen zurückzudrängen, stapfte um den Rahmen aus Kiefernholz herum, setzte sich auf den unebenen Stamm und streckte die Beine aus. Bedächtig und mit vollster Konzentration ließ er langsam den Querbalken herab, bis dieser seine Knöchel fest umschloß. Dann ging er daran, auch die Hände einzuspannen.
    So hockte er immer noch, als sein Vater ihn holen kam.
    Der schritt die staubige Straße entlang, machte den Spießrutenlauf an den Nachbarn vorbei, die mit krummen Rücken dastanden und ihn furchtsam anstarrten, doch Jeremias, die Brust herausgereckt, die kraftvollen Oberarme entblößt, zögerte kein einziges Mal. Sein Holzbein schwang er wie eine Waffe, schritt energisch und entschlossen voran, als zöge er in den Krieg, und er nahm sich nicht die Zeit, mit jemandem zu sprechen, nicht einmal mit Staats oder Douw. Natürlich blickten alle auf, doch keiner sah sein Gesicht, das unter der herabgedrückten Hutkrempe verborgen war. Eins-zwei, eins-zwei, seine Arme schwangen wild hin und her, und er hatte ein solches Tempo, daß er schon an fast allen vorbei war, als Staats die Schaufel hinwarf und ihm nachging.
    Sein Beispiel machte Schule. Einer nach dem anderen ließen die Farmer ihre Geräte fallen und folgten stumm Jeremias auf seinem Weg hinauf zum Gutshaus – sogar Robideau, wenn auch als letzter. Als Jeremias die Wiese vor dem Haus erreicht hatte, kam die gesamte Einwohnerschaft der Gegend hinter ihm her – die Cranes und Oothouses, die van der Meulens, Mussers und alle anderen. Niemand sprach ein Wort, aber auf allen Gesichtern lagen Angst und gespannte Erwartung.
    Der patroon hatte den Pranger hinter dem Haus auf halber Höhe des Hügels errichten lassen, damit er ihn bequem erreichen konnte, um eine eventuell noch zu verhängende Strafe auch unverzüglich zu vollstrecken, andererseits war die Vorrichtung weit genug entfernt, daß er nicht von Geräuschen, Gerüchen oder sonstigen unerfreulichen Begleiterscheinungen der Züchtigung belästigt werden konnte. Um hinzugelangen, mußte man um den Küchengarten und dann über eine Viehweide gehen; dahinter lagen das Maisfeld und der Wald, in dem Jeremy Mohonk und van den Post verschwunden waren. Jeremias hatte es eilig. Den Küchengarten umging er nicht, sondern trampelte mitten hindurch, hatte nichts als sein Ziel vor Augen: die ferne, winzige Gestalt, die dort oben am Hang in diesem barbarischen Apparat gefangen war. Er zermalmte Pastinaken, Rüben und Zichorien, zerfetzte Salat, Lauch und Kresse, quetschte Kürbisse platt und trat Tomaten breit. In ihrer Aufregung trampelten die anderen hinterher.
    Sie waren bereits nahe genug, um zu erkennen, daß die Vorrichtung nur zur Hälfte besetzt war, und sie sahen auch, daß es der jüngere der beiden Burschen war, der darin steckte, als plötzlich drei Reiter auf hastig gesattelten Pferden hinter der Scheune hervorgesprengt kamen, um ihnen den Weg abzuschneiden. Jeremias ging weiter. Und seine Nachbarn, denen

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