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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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patschnaß, und seine Holzfällerjacke – die er extra für Alaska gekauft hatte, um sie unter dem weiten Daunenparka anzuziehen – war dermaßen verschmutzt mit baumelnden Zweigen und Blättern, daß er damit ebensogut den Boden seines Mülleimers hätte polstern können. Mißmutig klopfte er seine Sachen ab, zupfte sich ein paar Blütenkätzchen aus den Haaren und kämpfte sich den unbarmherzigen Hang zur Viehweide hinunter.
    Dort kam er besser voran. Geradeaus gehen, auf ebenem Untergrund – das hatte er mittlerweile gemeistert. Nur das Auf und Ab bereitete ihm Probleme. Im Gehen säuberte er seine Kleidung, wich hie und da einem Kuhfladen aus, doch die neuen Wanderstiefel mit der Super-Riffelsohle standen ebensowenig mit ihm in Kontakt wie die toten Fortsätze, die in ihnen steckten. Die Wolken hingen tief an diesem naßkalten, vernebelten Tag, und er hatte gerade den Holzsteg erreicht, als er sah, daß sich in den Bäumen am Bachufer etwas bewegte. Er biß die Zähne zusammen und erwartete eine neuerliche Kollision mit der Geschichte, eine Art Abschiedsgeschenk der Vergangenheit. Er blinzelte. Nebelschwaden zogen vorbei. Es war nur eine Kuh.
    Muuh.
    Bergauf ging es etwas einfacher, obwohl der Weg genauso rutschig war. Irgendwie schien es hier leichter zu sein, die Füße in den Morast zu stemmen, der Boden war auch steiniger, stellenweise lag der Fels offen zutage, von den Sturzbächen Tausender Gewitter freigelegt. Wieder griff er nach Zweigen und hievte sich wie ein Kletterer nach oben. Schon durchquerte er Toms Garten mit den feucht glänzenden Kürbissen und den bräunlichen Stengeln sonstiger Gewächse, dann kam er nach Umgehung einer Gruppe von Bienenstöcken auf die kleine Lichtung unter der großen, kahlen Eiche.
    Da stand sie, die Hütte, in all ihrer baufälligen Pracht – aber war sie auch zu Hause, das war die Frage. Daß ihr Auto draußen parkte, war ja keine Garantie dafür. Wenn sie nun mit Tom weggefahren war? Oder irgendwo draußen Nüsse, Eicheln oder Blüten zum Trocknen sammelte? Oder im geräumigen, erstklassig ausgestatteten Badezimmer ihrer Eltern Unterhosen wusch, duschte oder ihre hübschen Zehennägel lackierte? Womöglich durchstreifte sie in diesem Moment wieder die schmalen Gänge von Peterskills Garten Eden? Die Möglichkeit, daß er die Hütte verlassen vorfinden könnte, hatte ihn schon den ganzen Weg über, seit er von der Straße aus den Pfad genommen, die Wiese überquert und den Hügel bis hierher erklommen hatte, belastet. Doch jetzt, noch ehe er durch die dreckigen Fenster spähte oder auf der Veranda stand, wußte er, daß er sie erwischt hatte – der Rauch verriet sie. Zuerst roch er es, dann sah er hinauf zu dem rostzerfressenen Kaminrohr, und da war er: Rauch, blasse Rauchschwaden, die zum Himmel stiegen, der selber wie Rauch wirkte.
    Schlagartig fühlte er sich zuversichtlich, war geradezu gut aufgelegt und überquerte den Hof, der aussah wie immer: Baumstümpfe ragten aus dem Boden, die Geißblattbüsche lagen in erfrorenen Klumpen vor der Hüttenwand, die Skelette rostiger Maschinenteile lugten aus dem niedrigen Gestrüpp hervor. Auf der Veranda sammelte sich, wie immer, alles mögliche Zeug, das im Haus keinen Platz fand, aber doch zu wertvoll war, um es den Elementen preiszugeben, und dann war da das altehrwürdige Holz der Blockhütte selbst; im Laufe der Jahre hatte es die Farbe des Silberfuchses angenommen, kein Tropfen Lack hatte je die ausgedörrte, pockige Außenfläche berührt. Als er die Stufen hinaufstieg, steckte ein Paar säbelbeiniger Ziegen die Nasen um die hintere Ecke des Hauses und starrte ihn mißtrauisch an. Eine Katze – ein scheckiges Tier mit einem weißen Streifen über einem Auge – schoß zwischen seinen Beinen hindurch und verschwand in dem Gerümpel auf dem Hof. Und dann, auf einmal, spürte er Jessica auf den Dielenbrettern im Inneren herumgehen – denselben Brettern, die auch ihn draußen vor der Tür trugen. Jedenfalls glaubte er, sie zu spüren. Wie auch immer. Er setzte ein gezwungenes Lächeln auf und klopfte zweimal. An die Tür. Mit den Knöcheln.
    Totenstille.
    Erstarrte Stille.
    Eine gleichermaßen wachsame wie gespannte Stille.
    Er versuchte es noch einmal mit Klopfen und machte dann Gebrauch von seiner Stimme: »Jessica?«
    Jetzt ging sie drinnen umher, kein Zweifel, er fühlte sie, hörte, wie sie sich über den Boden bewegte, hörte das Quietschen und Ächzen der trockenen Dielen unter ihren Füßen, unter seinen

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