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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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kraftvoll schlug er zurück.
    »Du Schwein«, zischte sie, während die Wucht der Ohrfeige ihr Tränen in die eisigen Augen trieb. »Du willst mich verlassen, ja? Um hier draußen zu leben, mit dieser – dieser fetten alten Frau?«
    Er antwortete nicht, aber er lächelte jetzt ein wenig. Die gewaltigen Liebestöter von Ein-Vogel blähten sich unschuldig im Wind.
    »Du schläfst doch nicht etwa mit ihr?« sagte sie. »Das kannst du mir nicht erzählen.«
    Er erzählte ihr gar nichts. Das Lächeln wurde breiter.
    »Denn wenn du es tust...« Sie verstummte. »Jeremy«, flüsterte sie dann, so leise und so leidenschaftlich, daß es ein Gebet hätte sein können. »Jeremy.«
    Er nahm sie bei den Händen. »Ich möchte dich vögeln«, sagte er, »jetzt gleich.«
    Später, nachdem er mit ihr vor den Pantomimen der flatternden Schlüpferbeine in einen Gänsedistelbusch hinter Dick Fourtriers Haus geflohen war, wo sie miteinander geschlafen hatten, beantwortete er ihre Frage. »Ich wollte ein bißchen nachdenken, deshalb bin ich hergekommen«, sagte er.
    »Worüber?«
    »Über Schiffe.«
    »Schiffe?« echote sie verwirrt. Ebensogut hätte er »Pudel«, »Sputniks« oder »Saxophone« sagen können.
    Ja, Schiffe. Er würde die Hütte aufgeben – zumindest bis ihr Sohn geboren war, ach übrigens, war sie schon, äh ...? Nein? Na ja, dann würden sie es eben weiter versuchen. Jedenfalls brauchte er einen Tapetenwechsel. Diese Geschichte mit dem Stammesland seiner Ahnen ging ihm allmählich auf die Nerven – er hatte die Geister von Sachoes und dem ersten unglückseligen Jeremy Mohonk gespürt, die ihn dort immer mehr bedrängten, und er brauchte Abwechslung, etwas ganz anderes, sie verstünde doch, was er meinte? Und deshalb dachte er, er würde gern auf einem Schiff leben – ohne Boden unter den Füßen, weg vom festen Land, das ihm täglich mehr von der letzten Kraft heraussog, die er noch besaß. Im Yachthafen von Peterskill verkaufte jemand ein kleines Segelboot. Er brauchte fünfzehnhundert Dollar.
    Ihr hatte die Idee nicht gefallen, ganz und gar nicht. Einerseits hatte ihr Mann selbst eine Yacht am Hafen liegen, also wie sollte sie Jeremy dort besuchen, ohne Verdacht zu erregen? Außerdem lebten Indianer nicht auf Schiffen. Sie lebten in Langhäusern, in Blockhäusern und Wigwams und in Hütten mit Teerpappedächern, sie lebten auf dem Festland. Und warum in Gottes Namen wollte er denn ein Arrangement aufgeben, das so prima funktionierte? So wie es jetzt war, konnte sie ihn jederzeit besuchen, wenn ihr der Sinn danach stand – durch den Wald direkt in sein Bett, ein Spaziergang von einer Viertelstunde, während der sie in Hitze geriet und leuchtende Augen bekam. Nein, es hatte ihr überhaupt nicht gefallen, aber das Geld hatte sie ihm trotzdem gegeben. Und jetzt, im schlimmsten Monat ihres Lebens, im vorletzten Monat ihrer Schwangerschaft, in jenem bedrückenden, unseligen Oktober eines Jahres mit landesweiten Straßenschlachten, politischen Morden und Menschen auf dem Mond, nach zwei Jahren der Stelldicheins im schwankenden, verschwiegenen Dunkel dieses feuchten, nach Fisch riechenden Segelboots, jetzt wußte sie auch, weshalb er es so gewollt hatte – um von ihr loszukommen, deshalb. Um sie zu verhöhnen. Um sie zu bestrafen.
    Es war die alte Geschichte, eine traurige Geschichte, und sie ging so: hochschwanger, sein Kind unter dem Herzen, schwer gebeugt von diesem fremden Wesen in ihrem Innern und dabei doch leichter als die Luft, war sie vor drei Wochen zu ihm gekommen, voll von Zukunftsplänen und nichts als dem Wunsch, ihn zu umarmen, ihn zu berühren, sich mit ihm in der engen Kajüte der Kitchawank zu wiegen, die auf der durchscheinenden Haut des Flusses trieb. Wie üblich parkte sie bei Fagnolis Restaurant und nahm ein Taxi zum Hafen, und wie üblich fand sie ihn unter Deck beim Lesen. (Er schaffte zwei oder drei Bücher pro Tag – las alles mögliche von Marcuse, Malcolm X oder Mao Tse-tung bis zu James Fenimore Cooper und den Fantasy-Romanen von Vonnegut, Tolkien oder Salmón.) An diesem speziellen Tag – sie erinnerte sich genau – las er ein Taschenbuch, auf dessen Einband sich eine üppige, spärlich bekleidete Frau vor einer leberfarbenen Reptilkreatur mit Zähnen wie Nagelfeilen verkroch, die in einem silbernen Overall steckte und deren vorgewölbtes Geschlechtsteil unübersehbar war. »Hallo«, begrüßte Joanna ihn leise und duckte sich tief, um dem heimtückischen Balken auszuweichen, an dem sie

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