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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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dann, in seiner Erregung, kniete er vor ihr nieder, fegte sich den altertümlichen Hut vom Kopf und preßte seine Wange an ihren geschwollenen Bauch. »Joanna, Joanna«, sagte er leise, »ich kann dir gar nicht sagen, wieviel mir das alles bedeutet – das Baby, das Grundstück, all diese wunderbaren Dinge, die mit uns geschehen ...« Ihre Reaktion war unter den Umständen die natürlichste der Welt, und sie merkte zuerst nicht, was sie tat: sie nahm seinen Kopf in ihre Hände, drückte ihn an sich und beugte sich hinab, um mit den Lippen seinen Scheitel zu berühren.
    Sie tranken den Champagner aus. Er saß zu ihren Füßen, wiegte sich über seinem Glas hin und her und plapperte die ganze Zeit von Rassepferden und deren Temperamenten, von Sätteln und Reitbekleidung und ob sie wohl glaubte, sie könnten einen guten Stallburschen auf Teilzeitbasis finden und einen guten Reitlehrer vielleicht auch – für den Jungen, meinte er. Er war so überschwenglich, so von seiner Stimmung mitgerissen, daß nicht einmal Mardi seine gute Laune dämpfen konnte. Sie stolzierte in ihrem Katzenkostüm (ein halbes Dutzend mit Wimperntusche aufgemalter Schnurrbarthaare, ein Schwanz aus zusammengedrehten Pfeifenreinigern und ein ledernes Mieder, das vorne so tief ausgeschnitten und hinten so knapp war, daß es sogar am Strand unmöglich gewirkt hätte) durch den Flur, und Joanna registrierte, wie sie an der Tür abwartend stehenblieb, geradezu um eine Konfrontation bettelte, doch Dipe ließ sich nicht darauf ein. Er wandte sich ab, als hätte er sie nicht erkannt, und redete einfach weiter, auch als die Tür krachend zuflog. »Hör mal, Joanna«, sagte er, »ich weiß ja, so was ist eigentlich nicht dein Fall, und die letzten paar Jahre bist du nicht mitgekommen, aber möchtest du heute abend nicht mit mir zusammen hingehen?« Und ehe sie noch antworten konnte, ehe sie Zeit zum Nachdenken fand, sprudelte er weiter, als wolle er ihren Einwänden zuvorkommen. »Eigentlich brauchst du dich nicht einmal umzuziehen – du könntest gleich so gehen, als Pocahontas, als Indianerprinzessin, ist doch egal, was die anderen denken. Dein Aufzug paßt großartig zu dem hier«, sagte er lachend und zupfte am Kragen des Museumsstücks, das er anhatte.
    In diesem Augenblick schöpfte sie nun wirklich Atem, sie fühlte, wie sie es ein für allemal abschüttelte, sie stieg empor, bis sie die Oberfläche durchstieß und ihre Lungen mit der süßen, leichten, überreichlichen Luft füllte. »Nein«, sagte sie leise, aber sehr gelassen, »ich ziehe mich lieber um.«

VAN WARTWYCK:
SCHLAF UND ERWACHEN
    Im Gefolge der Ereignisse jenes turbulenten Sommers 1679, des Sommers, in dem Joost Cats degradiert, der halbwüchsige Mohonk über den Rand der bis dahin erschlossenen Welt getrieben und Jeremias Van Brunt ein für allemal in seine Schranken verwiesen wurde, fiel Van Wartwyck, dieses verschlafene Nest, wieder in tiefen, festen Schlummer. Das Laub wechselte die Farbe, wie es ihm bestimmt war, und fiel von den Bäumen; Teiche froren zu, es schneite wie gewöhnlich und taute dann wieder, Kühe kalbten und Sauen ferkelten, die Erde machte für die alljährlichen Samenopfer die Beine breit, in den warmen Sommermonaten reifte das Korn und wurde im Herbst von Sichel und Sense gefällt. Eines kalten Winterabends, bei einem Pfeifchen vor dem Kaminfeuer, schied der alte Cobus Musser unbemerkt aus diesem Leben und ging ins nächste ein, aber außer dem engsten Familienkreis erfuhr bis zum Frühjahr niemand davon, und dann schien es nicht mehr allzu wichtig zu sein; Mrs. Sturdivant wurde schwanger, brachte aber zu ihrem unendlichen Kummer ein totes Mädchen zur Welt, das auf der rechten Brust einen Leberfleck in Form einer Fledermaus hatte, eine Tragödie, die sie den Ereignissen beim Gutshaus des patroon an jenem entsetzlichen Tag des vorigen Sommers zuschrieb; und Douw van der Meulen ging ein einäugiger Stör ins Netz, größer als ein Kitchawankenkanu und so schwer, daß drei Männer ihn tragen mußten. Abgesehen von dem riesigen Fisch selbst war dies indes so ziemlich alles, woran sich die Klatschmäuler laben konnten in diesem langen, schläfrigen Jahr, das dem Sommer der Peinigungen auf den Fersen folgte.
    Erst im darauffolgenden Winter, im Winter 1680/81, wurde die Gemeinde wieder einmal – wenn auch nur kurzfristig – aus ihrer Apathie gerissen. Ursache war die Ankunft eines neuen patroon im oberen Gutshaus (das heißt, eigentlich war es der Vetter des

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