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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Cadwallader mit Geesje zusammengetan, jetzt schleppte Jeremy dieses mondgesichtige Weib mit den massigen Zitzen und dem grünäugigen Affen an, der sich an sie klammerte. Er war verletzt und verwirrt. Was hatte denn seine kleine Schwester mit ihren dürren Beinen nur an sich, daß sie Cadwallader so in ihren Bann zog? Was fand Jeremy an dieser übelriechenden Indianerfrau? Wouter wußte es nicht. Obwohl auch in ihm die Hormone fluteten und er sich von unerklärlichen Trieben geleitet fühlte, obwohl er oft von der Feldarbeit ausbüchste, um aus der Ferne einen Blick auf Saskia Van Wart zu werfen, wenn sie auf dem Rasen vor dem oberen Gutshaus mit ihren Brüdern herumtollte, obwohl auch er jenes Ziehen in den Lenden verspürte, wenn er an sie dachte, und aus wirren Träumen in einem unerklärlicherweise nassen Bett erwachte, verstand er es dennoch nicht. Er wußte nur, daß er verletzt war. Und wütend.
    Mit der Zeit, während er allmählich seine Beziehung zu Jeremy wieder aufbaute und sich mit der unleugbaren Tatsache abfand, das Cadwallader Crane für seine kleine Schwester mehr als für ihn selbst übrig hatte, erholte er sich wieder. Zumindest schien es so. Mit vierzehn glaubte er, er wäre in ein Mädchen namens Salvation Brown aus Jan Pieterses Kill verschossen; mit fünfzehn lief er Saskia Van Wart hinterher wie ein verliebter Kater; mit sechzehn machte er den Trauzeugen, als Cadwallader Crane seine Schwester zur Frau nahm. Alles ging vorüber – der seelische Tod seines Vaters, die Zurücksetzung durch Cadwallader Crane, der Schlag, den ihm in jener eisregengepeitschten Nacht sein Vetter versetzt hatte, als diese Squaw zwischen sie getreten war. Er wuchs zum Mann heran, und äußerlich wäre ihm die Tiefe seines Schmerzes niemals anzumerken gewesen, niemand hätte je vermutet, daß er auf seine Weise ebenso verkrüppelt war wie sein Vater.
    Van Wartwyck schlummerte also weiter. Die achtziger Jahre, die so vielversprechend begonnen hatten, versandeten in der zähen Langeweile des Alltäglichen. Nichts ereignete sich. Jedenfalls keine Skandale, Gewalttaten oder Unerhörtheiten. Nicht einmal Todesfälle gab es. Jeden Frühling ging die Saat auf, das Wetter hielt sich – nicht zu naß und nicht zu trocken –, und mit jedem Jahr wurden die Ernten besser. An stillen Abenden konnte man die Klatschbasen schnarchen hören.
    Es war Jeremias Van Brunt, schon immer ein Katalysator von Gärung und Aufruhr, der sie aus dem Schlaf riß. Er selbst wußte es damals noch nicht, und den Knalleffekt sollte er auch nicht mehr erleben, doch unwissentlich brachte er eine Serie von Ereignissen in Gang, die die ganze Gemeinde in Finsternis stürzten und die Gerüchteköche aufschreckten, als stünden ihre Federbetten in Flammen, und die schließlich in der letzten tragischen Konsequenz der Rebellion seiner Jugendzeit kulminierten.
    Es begann an einem Tag, an dem der Wind erbarmungslos pfiff und die Temperaturen unschlüssig schwankten, an einem stürmischen Nachmittag Ende Oktober 1692, etwa drei Jahre nachdem der geriebene Holländer Wilhelm von Oranien zum König von England und all seiner Kolonien ausgerufen worden war. Einen groben Flachsbeutel an den Gürtel gebunden, auf dem Rücken eine verschrammte Muskete, die einst seinem Vater gehört hatte, verließ Jeremias kurz nach Mittag die Hütte und schlurfte in den Wald, um mit seinem Lieblingshaselnußbaum Zwiesprache zu halten. Obwohl es nichts als ein harmloser Ausflug zum Nüssesammeln werden sollte, nahm er die Flinte mit, denn man wußte nie, was einem in diesem gespenstischen Wald begegnen würde.
    Energisch kämpfte er sich den Pfad vor dem Haus bergab, hielt sich an Bäumen und Büschen fest, um ein Abrutschen zu verhindern, bohrte das Holzbein in den harten Boden wie einen Sicherungshaken in den Fels, während ihm der Wind ins Gesicht fauchte und mit heftigen Böen den Hut zu entreißen drohte. Er polterte über die Brücke und stapfte durch die sumpfige Senke zwischen dem Acquasinnick Creek und Van Warts neuer Straße, wobei er ein Rabenpaar von seinem Ruhesitz auf einer verkümmerten Ulme aufscheuchte. Sie flatterten in die Höhe wie Fetzen vom Beerdigungsgewand des Pastors, keckerten und meckerten in unharmonischen Tönen. Jeremias ging weiter, ein wenig umsichtiger als gewöhnlich – der Anblick eines Raben brachte einem nie übermäßig viel Glück, soweit er wußte –, bis er die Senke zur Hälfte durchquert und die Krone des Haselnußbaumes vor Augen hatte,

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