Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
Depeyster Van Wart das nächste Mal wiedertraf. Und das war die Wahrheit.
    »Aber du bist doch in die Partei eingetreten«, sagte Walter, »– ich meine, das hat mir Lola jedenfalls –«
    »Ach, Scheißdreck«, fluchte Truman, und eine wilde Furche zog sich über seine Stirn. Er fuhr vom Stuhl hoch und ging in dem kleinen Zimmer auf und ab. Draußen stimmten die Wolfshunde ihr Geheul an. »Gut. Okay. Ich bin in die Partei eingetreten. Aber möglicherweise war das bloß, weil ich in deine Mutter verliebt war, hast du daran schon mal gedacht? Vielleicht hab ich’s getan, weil sie Einfluß auf mich hatte, und vielleicht auch, weil ich diesen schönen Quatsch über die unterdrückten Werktätigen und die habgierigen Kapitalisten und das ganze Zeug glauben wollte – schließlich war mein Vater ein einfacher Fischer, klar? Aber wer hat denn recht behalten, häh? Kaum kommt einer wie Chruschtschow daher und prangert Stalin an, schwitzen in der Colony alle gleich Blut und Wasser. Man muß die Dinge doch aus dem richtigen Blickwinkel betrachten, Walter.« Er blieb vor dem Schreibtisch stehen, griff nach einem Stoß Papier, das mit engzeiliger Schreibmaschinenschrift bedeckt war, legte es aber wieder hin. Statt dessen schüttelte er sich eine Zigarette – eine Camel – aus der Schachtel, die daneben lag, und hielt das Feuerzeug daran. Walter sah, daß seine Hände trotz der gespielten Selbstsicherheit zitterten.
    »Na gut, und weiter – wir sind also ein Jahr, zwei Jahre verheiratet –, da taucht Depeyster wieder auf. Aber danach , Walter«, sagte er, und erstmals lag in seinem Blick so etwas wie ein Flehen, » nachdem ich deine Mutter kennengelernt und geheiratet habe, treff ich ihn eines Sonntagnachmittags zufällig in dem Laden da bei Cats’ Corners, wir wollten gerade zum Picknick fahren, deine Mutter und ich und Hesh und Lola, und ich geh da rein, um mir ein Bier und Zigaretten zu kaufen, und da steht er.« Er machte eine Pause, nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche. »Da spielen eine Menge Faktoren mit, lauter Dinge, von denen du nichts weißt. Sei nicht so vorschnell mit deinem Urteil.«
    Walter merkte, daß er sich in die Armlehnen des Sessels krallte, als säße er hoch oben auf einem Riesenrad in einem Sturm wie dem draußen vor der Tür und hätte Angst, kopfüber hinauszufallen. »Ich hab dir doch erzählt«, sagte er, »ich arbeite für ihn. Der ist in Ordnung. Das finde ich wirklich. Er sagt, Hesh und Lola haben unrecht. Und daß du ein Patriot bist.«
    Truman stieß ein bitteres Lachen aus, das blasse, sumpfige Grün seiner Augen war vom Rauch vernebelt, sein massiger Oberkörper schwankte kaum wahrnehmbar von der Wirkung des Alkohols und vielleicht auch von der Wucht seiner Gefühle. »Patriot«, wiederholte er mit verzerrtem Gesicht, als hätte er in etwas Fauliges gebissen. »Patriot!« knurrte er, und dann streckte er sich vor dem Ofen auf dem Fußboden aus und schlief ein, die brennende Zigarette noch zwischen den Fingern.
    Am Morgen – falls man es Morgen nennen konnte – war der Alte einsilbig, zermürbt, verkatert und schlecht gelaunt, etwa so mitteilsam wie ein Felsblock. Irgendwann tief im Faltenwurf dieser unendlichen Nacht hatte Walter gehört, wie er sich vom Fußboden aufrappelte, etwas Gin nachgoß und eine Telefonnummer wählte. »Ich komm heute nicht«, knurrte er in den Hörer. Pause. »Ja, genau. Ich bin krank.« Wieder eine Pause. »Geben Sie ihnen einfach die Verfassung zu lesen – oder noch besser, lassen Sie sie abschreiben.« Klick.
    Jetzt war es hell – oder zumindest war die Finsternis, die sich gegen die Scheiben drängte, merklich milder geworden –, und in der Luft lag, kräftig wie das Leben, der Duft von Speck, in den sich ein anderer, schwächerer Duft mischte, ein Duft aus der Erinnerung, grausam und herzlos: Kartoffelpuffer. Walter fuhr aus dem Schlafsack hoch, als stünde er in Flammen, ein lebendiges Wesen in einem Gespensterhaus. Die Hunde jaulten. Es mußte ungefähr Mittag sein.
    Truman servierte ihm gebratene Eier mit Speck und Kartoffelpuffer – »Wie deine Mutter sie immer gemacht hat«, sagte er mit übernächtigter, ausdrucksloser Miene. Danach sagte er nichts mehr, bis eine Stunde später die Sonne verschwand. »Dunkel geworden«, brach er plötzlich sein Schweigen. »Zeit für Cocktails«, sagte er mit schiefem Grinsen. »Zeit zum Geschichtenerzählen.«
    Wieder gab es Gin. Immer neuen Gin. Gin, der wie Blut über die aufgesprungenen

Weitere Kostenlose Bücher