World's End
Ein paar von den Typen aus der G2 sind nach dem Krieg beim Geheimdienst geblieben und in ziemlich wichtige Positionen aufgestiegen. Depeyster war mit denen immer in Verbindung.«
»Also warst du ein Spion«, sagte Walter mit völlig tonloser Stimme.
Truman fuhr hoch, räusperte sich und wandte den Kopf, um auf den Fußboden zu spucken. Er zupfte eine Weile an dem Gummiband, das sein Haar bändigte. »Wenn du es so nennen willst«, sagte er. »Sie haben mich überzeugt. Mir die Augen geöffnet. Die beiden und Piet.«
»Aber –« Walter war geschlagen, seine letzte Hoffnung ein verblassender Kondensstreifen am bleiernen Himmel. Das Gerücht war die Wahrheit: sein Vater war Dreck. »Aber wie konntest du das tun?« beharrte er, wütend in seiner Niederlage und laut in seiner Wut. »Ich meine, wie konntest du dich von irgendwem – mit Worten, nur mit Worten – so weit bringen lassen, daß ... daß du deine Freunde verrätst, deine eigene Frau, deinen –« es blieb ihm immer noch in der Kehle stecken, »– deinen Sohn?«
»Weil ich recht hatte, deswegen. Was ich getan habe, das war für einen höheren Zweck.« Der Alte redete, als bereite ihm das keinerlei Probleme, als hätte es nicht sein Leben zerstört, ihm die Familie genommen, ihn zu einem Säufer und Verbannten gemacht. »Kann schon sein, daß auch gute Leute dabei waren, Leute wie Norman Thomas oder wie deine Mutter, aber es gab auch verlogene kleine Scheißer wie Sasha Freeman und Morton Blum, die uns den ganzen Dreck eingebrockt haben, Verräter und Irre wie David Greenglass, die Rosenbergs oder Alger Hiss, die einfach alles kaputtmachen wollten, was unser Land erreicht hatte – und von denen gab’s auch in der Colony welche. Gibt’s heute noch.«
»Aber deine eigene Frau – hast du denn kein Gewissen? Wie konntest du das tun?«
Der Alte schwieg eine Weile, fixierte ihn nur über den Rand der Flasche hinweg. Als er wieder sprach, war es so leise, daß Walter ihn kaum verstehen konnte. »Wie konntest du es tun?«
»Was? Was meinst du?«
»Deine Frau – wie heißt sie gleich?«
»Jessica.«
»Jessica. Mit ihr hast du’s doch auch verschissen, oder? Du hast ihr übel mitgespielt, stimmt’s? Und zwar aus irgendeinem Grund, den du nicht mal kennst.« Truman sprach jetzt wieder lauter, mit einem ätzenden, rauhen Grollen, das sich über den Sturm hinwegsetzte. »Und was ist mit Depeyster Van Wart – mit ›Dipe‹, wie du ihn nennst? Das ist doch jetzt dein Kumpel, oder? Und Hesh ist abgemeldet. Der Blödmann kann dich mal. Jetzt ist Dipe angesagt. Er ist für dich ja mehr Vater als ich.«
Die Augen des Alten funkelten vor Bosheit. »Walter«, flüsterte er. »Hey, Walter: du bist auf dem besten Weg.«
Walter fühlte sich plötzlich matt, vollkommen geschafft, es war ihm, als läge er am Boden und würde angezählt. Mit letzter Kraft erhob er sich unsicher aus dem Sessel. »Toilette«, murmelte er und wankte auf das hintere Zimmer zu. Er bemühte sich, aufrecht zu gehen, die Schultern nach hinten zu drücken und den starken Mann zu markieren, doch er kam keine fünf Schritte weit, dann verhedderten sich seine Füße und er krachte gegen den Türrahmen.
Ding. Ende der zweiten Runde.
Lange Zeit kniete Walter über einem Eimer in dem eisigen Gelaß, das dem Alten als Toilette diente; seine Gedärme flatterten, der süßsaure Gestank seines Mageninhalts warf ihn um. Außerdem war da noch ein anderer Geruch: es roch nach seinem Vater, nach der Scheiße seines Vaters, und davon hob sich sein Magen wieder und wieder. Die Scheiße seines Vaters. Alles im Eimer. Christina und Jessica. Truman und Walter.
In der Kochnische stand ein Faß voll Wasser. Walter fing mit den Händen etwas davon auf und klatschte es sich ins Gesicht. Er legte den Mund um den Zapfhahn und trank. Draußen herrschte weiterhin Nacht. Der Alte saß wie versteinert auf dem Stuhl und nippte versonnen an seinem Drink. Walter zitterte. Es war kalt im Haus, obwohl Truman den Ofen so mit Kohle angefüllt hatte, daß das eiserne Türchen glühte. Walter durchquerte den Raum, hob seinen Parka vom Boden auf und wand sich hinein.
»Hast du noch was vor?« fragte der Alte mit leisem Spott.
Walter gab keine Antwort. Er griff nach seiner Tasse auf der Armlehne des Sessels und streckte sie zum Nachschenken hin, wobei er so grimmig dreinsah, daß Truman den Blick senkte. Dann schüttelte er eine Camel aus der Schachtel seines Vaters, zündete sie an und machte es sich wieder im Sessel bequem.
Weitere Kostenlose Bücher