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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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zog eine Uhr aus der Westentasche und musterte das Zifferblatt, als könnte er damit den Kurs jener ehrlichen, hoffnungsfrohen, fleißigen Neuankömmlinge ermitteln. »Dienstag mittag treffen sie ein. Mit der Schaluppe aus New York.
    Und, ach ja«, setzte er hinzu, »der Indianer, oder Halbindianer oder was er auch sein mag, der verschwindet auch.«
    Wouter war zu sehr vom Donner gerührt, um etwas zu erwidern. Er wandte sich nur um, verschwand geduckt durch die niedrige Tür und kletterte in den Wagen. Seine Mutter und die Schwestern plauderten über das Fest, wer mit wem getanzt hatte, und hast du Soundso in diesem lächerlichen Aufzug gesehen, aber er hörte sie nicht. Er war wieder elf Jahre alt, der Junge, der sich selbst an den Pranger gestellt hatte, der Junge, der zugesehen hatte, wie sein Vater gebrochen und gedemütigt worden war, und er fühlte die Schande wie Gift in seinen Adern pulsieren. Die Pferde hoben die Hufe und setzten sie wieder auf, der Wagen schwankte und quietschte, Bäume verschmolzen mit der Dunkelheit. »Ist irgendwas?« fragte seine Mutter. Er schüttelte den Kopf.
    Im Schock spannte er die Pferde aus und brachte sie in den Stall. Zu seiner Mutter – oder zu den Schwestern – hatte er kein Wort gesagt, und sein Bruder war mit John Robideau und ein paar anderen Halbwüchsigen auf dem Fest geblieben. Die Familie lebte weiter in dem Glauben, die Erde folge ihrer gewohnten Bahn, sie hätten sich für ein weiteres Jahr ihrer Verpflichtungen vor dem Gutsherrn entledigt und die Farm auf Nysen’s Roost würde noch viele Generationen vom Vater auf den Sohn vererbt werden. Es war ein Scherz, ein übler Scherz. Er rieb die Pferde ab, konnte bei der Wut, die in ihm emporstieg, kaum seine Hände beherrschen, als er hinter sich die Tür aufgehen hörte.
    Es war Cadwallader Crane. Der Witwer, der Naturliebhaber, sein trauriger, beklagenswerter Schwager. Cadwalladers Mantel und Hut waren von den feinen Schneeflocken bestäubt, die jetzt aus dem fahlen Nachthimmel herabschwebten. Seine Augen waren rot. »Sie haben mich rausgeworfen«, sagte er mit bebender Stimme. »Von der Farm, die mir ... mein Vater aufbauen ... geholfen hat für, für – « er flennte los, »– für Geesje.«
    »Ich will verdammt sein«, sagte Wouter, und er ahnte nicht, als wie prophetisch sich diese Redewendung erweisen sollte.
    Fünf Minuten später saßen sie in Vetter Jeremys Hütte, wärmten sich am Feuer und ließen eine Flasche mit holländischem Mutwasser herumgehen. Wouter setzte die Flasche an, reichte sie seinem Schwager weiter und beugte sich vor, um Jeremy die schlechten Neuigkeiten zu berichten. Mit wilden Gebärden und mimischen Gesten, in einem Mienenspiel-Repertoire, das jeden Bühnendarsteller stolz gemacht hätte, erzählte er ihm, was der commis gesagt hatte und was das für sie alle bedeutete. Jeremys Frau saß mit ernstem Ausdruck daneben, das kleine Mädchen in den Armen. Jeremy junior, zwölf Jahre alt und mit den Augen eines Van Brunt, fuhr stumm mit den Fingern über die Zähne der Bärin, die sein Vater am Morgen erlegt hatte. Jeremy sagte nichts. Allerdings hatte er schon seit vierzehn Jahren nichts gesagt.
    »Ich finde, wir sollten noch einmal raufgehen –« Wouter ergriff die Flasche und schwenkte sie wie eine Waffe, »– und diesen Dreckskerlen zeigen, was wir davon halten.«
    Cadwalladers Blick war trübe, seine Stimme verlor sich irgendwo in der Magengrube. »Genau«, schnaufte er, »genau, wir zeigen denen, was wir davon halten.«
    Wouter wandte sich an seinen Vetter. »Jeremy?«
    Jeremy warf ihm einen Blick zu, der keiner Deutung bedurfte.
    Kurz darauf standen sie auf dem Rasen vor dem oberen Gutshaus und starrten zu der Parade von hellen, kerzenerleuchteten Fenstern hinauf. Der Schnee fiel jetzt stärker, und sie waren gründlich betrunken – jenseits aller Vernunft oder Verantwortung. Das Fest war längst vorbei, nur drei hartnäckige Seelen hockten noch vor dem offenen Feuer, nagten die Knochen ab und kümmerten sich darum, daß die Fässer mit Apfelwein und Bier restlos geleert wurden. Wouter erkannte seinen Bruder und John Robideau. Im Näherkommen sah er, daß der Dritte im Bunde Tommy Sturdivant war.
    Die drei Verschwörer, die vorerst noch nicht entschieden hatten, zu welchen Taten sie sich verschwören wollten, gesellten sich zu den anderen am Feuer. Einer warf ein paar Scheite von dem Brennholzberg darauf, der sich rings um den Holzschuppen des patroon auftürmte, und ihre

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