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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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versank er in einem Krater, der groß genug war, um einen Schulbus zu verschlucken. Zornig trat er das Gaspedal durch. Die Hinterräder heulten, das Chassis erzitterte unter ihm. Er rammte den Rückwärtsgang hinein, gab Vollgas, schaltete krachend in den ersten, gab wieder Vollgas. Vergebens. Er probierte es ungefähr zehn Minuten lang, kam aber immer nur ein paar Zentimeter weit voran, die er gleich wieder zurückrutschte.
    Scheiße. Er schlug frustriert auf das Lenkrad ein. Er wußte nicht einmal, warum er gekommen war – sicher nicht, um Tom und Jessica mal wieder zu sehen, das stand felsenfest, auch nicht wegen Mardi. Eigentlich wollte er überhaupt niemanden sehen, ebensowenig wollte er gesehen werden. Und jetzt saß er fest. Wie ein Idiot. Wütend ließ er die Kupplung kommen und trat nochmals voll aufs Gas, dann schlug er die Faust so fest gegen das Armaturenbrett, daß er das Tachometerglas zerschmetterte und sich die Knöchel aufriß. Er leckte an der Wunde und fluchte, war so frustriert, daß er hätte heulen können, da klopfte jemand an die Fensterscheibe.
    Draußen stand eine vermummte Gestalt im Schnee. Walter kurbelte das Fenster hinunter und sah dahinter noch eine zweite vermummte Gestalt im Dunkel. »Brauchst du Hilfe?« Ein bärtiger Typ mit schütteren, nassen Haaren steckte den Kopf herein. Einen Augenblick lang geriet Walter in Panik, weil er glaubte, es wäre Tom Crane, beruhigte sich aber gleich wieder. »Ja. So eine Scheiße. Bin wohl in ’ne Kuhle gefahren oder so.«
    »Wir schieben mal an«, sagte der Bärtige. »Wenn ich brülle, gibst du Stoff.«
    Walter ließ das Fenster offen. Schnee wirbelte herein und schmolz auf seinem Gesicht. Es war warm, wirklich warm. Er wunderte sich gerade, wie es überhaupt schneien konnte, obwohl es doch so mild war, als er den Ruf von hinten hörte und Gas gab. Der Wagen rollte ein Stück vor, stockte kurz, dann kam ein neuer Stoß von hinten, mit dem er das Hindernis überwand, und schon glitt Walter quer über den Parkplatz. Er blieb erst auf der anderen Seite stehen, im Schutz der dunklen Bäume. Als er ausstieg, waren seine Wohltäter verschwunden.
    Er wußte immer noch nicht, warum er hergekommen war oder was er eigentlich vorhatte. Vorerst wollte er mal zum Zelt rübergehen und sich ein bißchen umsehen. Ob er Jessica dort treffen würde, war nicht sicher, aber er wußte, daß sie und Tom in dieser Schiffs-Aktion mächtig engagiert waren – schließlich hatte sie ihm das selbst erzählt –, daher nahm er an, daß sie da war. Und Tom natürlich auch. Vielleicht würde er nur ein Bier trinken, eine Weile herumhängen. Mit ihr reden wollte er nicht unbedingt – nicht nach der Sache damals in der Hütte. Aber ein Bierchen. Ein Bierchen könnte er ja ruhig trinken.
    Leichter gesagt als getan.
    Der Weg war beschwerlich – so beschwerlich wie die Straße in Barrow, wenn auch nicht ganz so eisglatt –, und er flog zweimal hin, ehe er den Bahnhof erreichte. Sein Jackett – Woll-Mischgewebe, schwarz-graues Fischgrätmuster, hundertfünfundzwanzig Dollar – war längst triefendnaß, garantiert ruiniert, und der Schlips schnürte sich ihm wie eine Henkersschlinge um den Hals. Er bereute, daß er seinen Mantel nicht mitgenommen hatte. Lange Zeit stand er zusammengekauert auf dem überdachten Bahngleis, saugte an einer Wunde zwischen den Fingerknöcheln. Dann ging er in Richtung der Musik.
    Er zitterte am ganzen Körper, als er durch die Zeltklappe schlüpfte, und ohne es eigentlich zu wollen, schob er sich sofort an den nächstgelegenen Heizstrahler. Erstaunlich, wie viele Leute gekommen waren – zweihundert waren es mindestens. Allein auf der Tanzfläche schien sich eine gute Hundertschaft zu tummeln – vier lange Square-Dance-Doppelreihen, ein wildes Getümmel, wie eine Horde Bauern, die sich vom Erntefest in Hog’s Back/Tennessee hierher verirrt hatten. Gutes Bier gab es – Schaeffer vom Faß –, aber nach seiner Freßattacke war Walter bis zum Erbrechen satt und konnte nur daran nippen. Er erkannte kein einziges Gesicht in der Menge.
    Er fragte sich immer noch, was er eigentlich hier wollte, und fand, daß er mit seinem kurzen Haar, dem sportlichen Blazer und der Krawatte eine ziemlich auffällige Erscheinung abgab, da sah er kurz Jessica. Sie war auf der Tanzfläche, mitten im Gewühl, drehte sich in jemandes Armen, er sah aber nicht, in wessen. Nachdem er sich zwischen zwei älteren Kerlen mit weißen Pferdeschwänzen und senffarbenen

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