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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ihm, seine Herden vermehrten sich so stark, daß sie die Hänge der Hügel verdunkelten, und mit der Zeit konnte er sich eingestehen, daß es nur zu seinem Besten war.) Enzo, im Overall und mit einem flachen Filzhut auf dem Kopf, begrüßte Pompey überschwenglich und bot ihm Apfelwein aus einem grünen Krug an, mußte aber leider sagen, daß er Rombout seit fast einer Woche nicht mehr gesehen hatte.
    Nächstes Ziel war das Blue Rock Inn, wo der Gutsherr nach den Unbilden des Pferderückens gerne eine Pause einzulegen pflegte, um sich mit Charlie Outhouse, dem Besitzer, der seine Gäste üblicherweise eher mit Sodawasser und Orange Pekoe erfrischte, einen geschmuggelten Bourbon zu genehmigen. Pompey machte kehrt, kam in Rufweite am Gutshaus vorbei – weiterhin keine Spur von Rombout – und wanderte hinunter zu der Stelle, wo das Wirtshaus über dem Van Wart Creek thronte, direkt an der Mündung in den Hudson. Charlie rupfte hinter dem Haus Hühner fürs Abendessen. Auch er hatte Rombout nicht gesehen. Pompey ging weiter, beschrieb einen Bogen um die Anhöhen der Acquasinnick Ridge und folgte dem Bachbett, bis er sich schließlich nordwärts zu Nysen’s Roost wandte.
    Er kam auf den steinigen Pfad und durchquerte den Blood Creek (so genannt, weil Wolf Nysen in dem Bemühen, sich das Blut seiner Töchter von den Händen zu waschen, das Wasser tiefrot gefärbt hatte). Seine Beine waren schwer und müde, als er sich den steilen Hang hinaufplagte. Seine Mutter, eine geschwätzige, abergläubische Frau, eine Fundgrube für die Folklore der Gegend und Bewahrerin der Familiengeschichte der Van Warts, hatte ihm oft von Wolf Nysen, dem wahnsinnigen Mörder aus Schweden, erzählt. Außerdem vom Werwolf, den pukwidjinnies und der klagenden Frau vom Blue Rock, die in einem Schneesturm umgekommen und deren Stimme des Nachts zu hören war, wenn der Schnee in dicken Flocken fiel. Der Wald war hier sehr dicht – nie gerodet –, und Schatten sammelten sich zu Klumpen um die Skelette von umgestürzten Bäumen. Es war ein unseliger Ort, sonderbar still sogar im Sommer. Pompey hatte ihn als Junge gemieden und mied ihn als Mann. Jetzt aber sah er, trotz des knöcheltiefen Laubes auf dem Pfad, daß vor kurzem ein Pferd diesen Weg genommen hatte, und er spürte eine tiefe Erleichterung.
    Als er oben auf der Anhöhe aus dem Wald heraustrat, war er ebenso überrascht wie zuvor sein Dienstherr, auf die geduckte, primitive Behausung aus zurechtgesägten Jungstämmen und Teerpappe unter der großen alten Weißeiche zu stoßen, die auf der Lichtung Wache hielt. Als nächstes bemerkte er Pierre, der, immer noch gesattelt, geruhsam unter dem Baum graste. Im Näherkommen sah er einen Fremden im Eingang der Hütte sitzen – ein Landstreicher, dem Aussehen nach zu urteilen –, und dahinter lag so etwas wie ein Haufen weggeworfener Lumpen im hohen Gras. Aber wo war Rombout?
    Ohne das geringste Zaudern, wenn auch sein Magen sich in böser Vorahnung zusammenzog, marschierte Pompey direkt auf die Kate zu, um den Fremden zur Rede zu stellen. Fünf Schritte vor ihm blieb er stehen, die Hände in die Hüften gestemmt. Wer zum Teufel bist du? – die Worte lagen ihm auf der Zunge, als er sich das Lumpenbündel noch einmal näher ansah. Rombout schien zu schlafen, aber er hatte Blut an der Schläfe. Seine Reitstiefel – noch am Morgen hatte Pompey sie frisch geputzt – glänzten in der fahlen Herbstsonne.
    »Was ist hier passiert?« wollte Pompey von dem Indianer wissen, der kaum den Kopf gehoben hatte, um sein Herannahen zu beobachten. Eine gewaltige, tiefe Urangst packte Pompey, als er auf den im Gras ausgestreckten Weißen niederblickte.
    Der Indianer antwortete nicht.
    »Warst das du?« Pompey fürchtete sich. Fürchtete und erzürnte sich. »Also?«
    Immer noch hüllte sich der Indianer in Schweigen.
    »Wer bist du überhaupt? Was willst du hier?« Verwirrt sah Pompey von dem Indianer auf das Pferd und vom Pferd auf das gräßliche, reglose Bündel Kleider auf dem Boden.
    »Ich?« sagte der Indianer endlich und hob dabei langsam den Kopf, um ihn mit diesen Fanatikeraugen zu fixieren. »Ich bin der Letzte der Kitchawanken.«
    Die Verhandlung dauerte keine Stunde. Die Anklage gegen den Indianer lautete auf verbrecherische Besitzstörung, tätlichen Angriff mit einer gefährlichen Waffe und versuchten Mord. Der vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger war mit Rombout zur Schule gegangen. Der Sheriff, der Gerichtsschreiber, der Staatsanwalt und der

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