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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Zuhälter der Zwillingshuren Macht und Kapital, ein Schänder des Landes, mit dem meine Ahnen siebentausend Jahre lang in Harmonie lebten.« Der Indianer hielt inne. »Wollen Sie noch mehr hören? Na?« Er deutete mit dem Zeigefinger auf ihn. »Sie sind der Verbrecher, mein Freund, nicht ich. Ich bin gekommen, mein Geburtsrecht einzufordern.«
    Daraufhin versetzte ihm Rombout einen Schlag – nur einen –, einen zornigen Hieb mit der Reitpeitsche, gezielt auf diese kalten, haßerfüllten, ungehörigen grünen Augen. Das klatschende Geräusch, wie das kurze Aufbranden von brutalem Beifall, verklang rasch in der antiseptischen Luft, bis im nächsten Moment nur noch die Erinnerung daran übrig war.
    Der Indianer seinerseits schien den Schlag fast willkommen zu heißen. Er zuckte kaum zurück, obwohl Rombout seine ganze Kraft hineingelegt hatte. Was zugegebenermaßen nicht viel hieß, wenn man bedachte, daß er Mitte Vierzig war und seine sitzende Lebensweise höchstens mit einer gelegentlichen Runde Golf oder einem leichten Galopp über seine Ländereien ausglich. Im Gegensatz dazu mochte der Indianer Anfang Zwanzig sein; er war großgewachsen und gut gebaut, abgehärtet von Arbeit und Not. Tautropfenartig trat Blut rings um seine Augen hervor und zeichnete den Nasenrücken nach wie die Blaupause für eine Brille.
    »Gott verdamm dich!« fluchte Rombout, innerlich bebend von den chemischen Ausschüttungen, die der Zorn in seinen Adern freigesetzt hatte. Zu weiteren Verwünschungen blieb keine Zeit; der Indianer griff sich ein Stück Feuerholz, so lang und breit wie ein Baseballschläger, und ließ es gegen Rombouts Schläfe krachen wie der unsterbliche Babe Ruth zu seinen besten Zeiten. Später – bei der Gerichtsverhandlung gegen den Indianer – stellte sich heraus, daß sein Gegner danach noch weitere Hiebe ausgeteilt, ihn getreten, gestoßen und ihm das Knie in den Magen gerammt hatte, doch bewußt erlebte Rombout nur den ersten Schlag, und danach die Finsternis, die auf den Fersen folgte.
    Er war nicht tot – nein, er sollte bald wieder gesund werden und zu Kräften kommen, nur um gut zehn Jahre später verhängnisvollerweise an einer rohen Auster bei »Delmonico’s« zu ersticken –, aber er hätte es sein können. Er rührte sich nicht. Drei Stunden lag er da, seine Wunden bluteten und trockneten, trockneten und bluteten von neuem. Ein- oder zweimal kam er kurz zu sich, öffnete die Augen und glaubte, er befände sich zehn Faden tief unter dem Meer, schmeckte das eigene Blut und sank wieder in die dunklen Abgründe der Ohnmacht zurück. Die ganze Zeit über tat der Indianer nichts – er nahm seine Angriffe nicht wieder auf, noch versuchte er, seinem Opfer zu helfen, ihm die Brieftasche zu stehlen oder sich auf Pierre, dem herrlichen braunen Wallach, davonzumachen. Er blieb einfach vor der Tür seiner Kate sitzen, drehte sich Zigaretten und rauchte sie mit selbstgerechter Miene.
    Es war Herbert Pompey – Chauffeur, Stallbursche, Gärtner, Faktotum, Hansdampf in allen Gassen, Majordomus und Sohn von Ismailia, dem Kindermädchen –, der dem Gutsherrn schließlich zu Hilfe kam. Als Rombout nach mehreren Stunden noch nicht zurück war, ging Herbert zu seiner Mutter, um ihren Rat einzuholen. »Besoffen wird er sein«, vermutete sie. »Unter irgend’nem Baum eingepennt, oder vielleicht isser auch von seinem Viech runtergefallen und hat sich den Schädel eingeschlagen.« Dann befahl sie ihrem Sohn, sich auf den Weg zu machen und nach ihm zu suchen.
    Zunächst versuchte es Pompey bei der Meierei. Rombout ritt manchmal dorthin, um schwarzen Kaffee und Grappa mit Enzo Fagnoli zu trinken, dessen Familie seit achtzig Jahren Kühe für die Van Warts molk. (Den Hof hatten die Fagnolis von den van der Mules oder Meulens übernommen, Pächtern auf dem Gut der Van Warts seit Anbeginn aller Zeiten. Als Rombouts Urgroßvater Oloffe III. erfuhr, daß der Staat ein Gesetz plante, das dem Großgrundbesitzersystem im Hudson Valley ein Ende bereiten und den Pächtern das Eigentumsrecht auf die Höfe, die sie seit Generationen bewirtschafteten, verleihen sollte, hatte er die Holländer zwangsräumen lassen und dafür die braven Italiener hineingesetzt, die den Bauernhof auf Milchproduktion umstellten und zu einem Jahreslohn für ihn arbeiteten. Es war Oloffe schwergefallen, sich daran zu gewöhnen, seine Pächter zu bezahlen statt umgekehrt, doch die unersättlichen Horden in New York City verlangten Milch, Butter und Käse von

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