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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Vermögen. Der familieneigene Bauholzbetrieb ging zugrunde; die Gießerei – die damals eisernes Küchengerät herstellte, während des Krieges aber Geschützverschlüsse für die Artillerie produziert hatte – geriet in arge Bedrängnis; er verlor eine nicht näher bezifferte Summe bei Terminkontraktgeschäften, und an einem bitteren Nachmittag wurde er auf der Rennbahn von Belmont Park zweitausend Dollar auf einmal los. Der zweite Schlag, der wörtlich zu nehmende, wurde ihm von einem Landstreicher mit Adlernase und einem Teint wie gebrannte Umbra zugefügt, der sich Jeremy Mohonk nannte und vorgab, der Letzte der Kitchawanken zu sein, eines Stammes, von dem im ganzen Gebiet von Peterskill/Van Wartville noch nie jemand gehört hatte. Seine Stammesrechte geltend machend, baute er eine Hütte aus Teerpappe auf Nysen’s Roost, einem unbewohnten Abschnitt des Van-Wart-Besitzes, auf dem Rombout erst kürzlich in einem Anfall feudaler Nostalgie wieder wilde Truthähne ausgesetzt hatte.
    Rombout selbst entdeckte die Anwesenheit des illegalen Siedlers. Auf dem Rücken von Pierre, einem kastanienbraunen Wallach, dessen Stammbaum seinem eigenen nahezu ebenbürtig war, unternahm der Herr des Gutes in der erfrischenden Herbstluft einen Ausritt (und versuchte gleichzeitig, den Dämon seiner finanziellen Nöte mit Hilfe einer silbernen Taschenflasche zu bannen, auf der das altehrwürdige Emblem des Clans der Van Warts eingraviert war), als er plötzlich auf die Kate des Eindringlings stieß. Er war entsetzt. Unter der uralten Weißeiche, in die sein Urgroßvater, Oloffe III., seine Initialen geritzt hatte, stand plötzlich eine Art Zigeunerabtritt, eine zerfledderte, heruntergekommene, unansehnliche Baracke, wie man sie hinter irgendeinem Schweinekoben in Alabama oder Mississippi erwarten würde. Im Näherkommen bemerkte er eine zerlumpte Gestalt, die über einem Kochfeuer kauerte, und dann, während er in den armseligen, mit Müll übersäten Hof hineingaloppierte, erkannte er den geköpften und gerupften Kadaver eines Truthahns, der dort am Spieß brutzelte.
    Das war zuviel. Er sprang vom Pferd, die Reitpeitsche fest in der Faust, während der jämmerliche Bettler etwas unruhig schwankend auf die Beine kam. »Was zum Teufel machen Sie hier?« brüllte Rombout los und fuchtelte mit der Peitsche vor dem Gesicht des Unbefugten herum.
    Der Indianer – denn ein solcher war er – wich vorsichtig zurück, ohne sein Gegenüber aus den Augen zu lassen.
    »Das ... das ist ein Verbrechen!« schrie Rombout. »Vandalismus. Wilderei, zum Donnerwetter. Das hier ist Privateigentum!«
    Der Indianer wich nicht weiter zurück. Er trug ein schlichtes Flanellhemd, zerrissene Arbeitshosen und eine verbeulte Melone, die aussah, als hätte er sie aus einer öffentlichen Bedürfnisanstalt gefischt; trotz der einsetzenden Kälte ging er barfuß. »Privateigentum, von wegen«, sagte er, verschränkte die Arme vor der Brust und fixierte den Gutsherrn mit einem eiskalten, trotzigen Blick seiner grünen Augen. ( Indianer? sollte Rombout später ungläubig knurren. Wer hatte schon je von einem Indianer mit grünen Augen gehört?)
    Rombout war außer sich vor Wut. Es muß hier angemerkt werden, daß er einigermaßen berauscht war, da er Cognac mengenmäßig proportional zum Ausmaß seiner Besorgnis getrunken hatte – und diese Besorgnis finanzieller Natur war monumental, massiv und unerschütterlich wie Marmor. Tatsächlich hatte er zwei Tage zuvor einem Gefährten aus dem Yale Club anvertraut, daß er, wirtschaftlich gesehen, praktisch als Hungerleider in die Hölle käme. Jetzt brüllte er plötzlich den Indianer an: »Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?«, wobei er jede Silbe mit einem Schlenkern der Peitsche akzentuierte.
    Unglaublich gelassen, als wäre er der Grundbesitzer und Rombout der Eindringling, nickte der Indianer bedächtig mit dem Kopf. »Ein Verbrecher«, antwortete er.
    Rombout war wie vom Donner gerührt. Seit fünfundzwanzig Jahren hatte ihn niemand mehr direkt beleidigt – seit ihn damals ein älterer Student im College unverfroren »eingebildetes Arschloch« genannt und dafür als Vergeltung postwendend einen mächtigen Schlag aufs rechte Ohr empfangen hatte. Und hier stand dieser Unbefugte, dieser dunkelhäutige, hakennasige Penner in seinem Lumpensammleraufzug und wurde auf seinem eigenen Grund und Boden frech zu ihm.
    »Ein Verbrecher und Grundräuber«, fuhr der Indianer fort. »Ein Verelender der Arbeiterklasse, ein

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