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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Joost Cats zu Nysen’s Roost hinausgeritten war, um die Geschäfte des patroon zu erledigen, jätete Jeremias Unkraut zwischen den hohen, knospenden Maisstauden hinter dem Haus. Das war ein ziemlich dreckiges Unterfangen. Die Erde war nach dem Gewitter der letzten Nacht naß wie ein Schwamm und zerrte an seinem Holzbein wie eine zupackende, schmutzige Hand. Er schlug nach Insekten, Schweiß troff ihm von der Nase, er hatte gelbe Schlammstreifen im Gesicht, auf den Kleidern, auf dem Holzbein und auf der Pantine, die er am linken Fuß trug. Nur weil die Luft so heiß und still war – sogar die Vögel legten bis zur abendlichen Kühle eine Ruhepause ein –, konnte er das Scharren und Wiehern der Pferde hören, und dann die Stimmen – eine davon gehörte Katrinchee –, die in sonnenbeschienener Rhapsodie über das Feld drangen. Staats, dachte er. Oder Douw.
    Auf dem Rückweg vom Feld fand er Squagganeek, der mit einem Stock über einen Ameisenhügel gebeugt stand, und nahm ihn bei der Hand. »Grootvader van der Meulen ist da«, sagte er. »Er ist uns auf seinem Pferd besuchen gekommen. Und Onkel Douw auch, das wette ich.« Doch als er mit dem Jungen an seiner Seite ums Haus kam, erkannte er seinen Irrtum – den bitteren, schmerzhaften Irrtum. Er hatte sich auf eine Umarmung von Staats, einen Spaziergang mit Douw, etwas Feines aus moeder Meintjes Ofen gefreut, und der Anblick des schout, mit seiner Nase wie ein Flügelhorn, dem krummen Rücken und dem häßlichen schwarzen Bartschopf, ließ ihn wie angewurzelt stehenbleiben. Einen Moment lang. Nur einen Moment lang. Dann packte ihn die Wut. Bebend vor Zorn, mit hämmerndem Herzen und ausgetrocknetem Mund überquerte er den Hof, hörte sich an, was der Esel zu sagen hatte, und bückte sich dann nach einem Stück Brennholz.
    Er war so wütend – schon wieder, dieser Dreckskerl wollte ihn schon wieder hinauswerfen –, daß er kaum einen Blick auf das zweite Pferd warf, das am Waldrand zurückgeblieben war. Das heißt, bis sie schrie. Bis ihr Vater den Degen zog und über den Kopf hob; bis sie vor Schreck und Entsetzen aufschrie und in den durchdringendsten Tönen klagte. Jeremias blickte kurz zu ihr hinüber, ihr Name lag ihm auf den Lippen, als das Scheit in seinen Händen zersplitterte und der wuchtige Schlag des schout ihn in die Knie zwang. Er fühlte sich irgendwie unsicher und verlegen, schämte sich seiner Kleider und seines ungekämmten Haars, bereute seinen Wutausbruch, seine Armut, sein Leben, wollte sie nur im Arm halten, doch seine Arme waren leer. Dann rann ihm Blut in die Augen, und er lag am Boden.
    Falls sich die Sonne am Himmel bewegte und die Schatten länger wurden, bemerkte er es nicht. Als er die Augen wieder aufmachte, sah er kaum etwas, so blutverklebt waren sie, aber er wußte, sie war da, über ihn gebeugt, betupfte eine Seite seines Gesichts mit etwas, das nach ihren intimsten Geheimnissen duftete, während Katrinchee irgendwo im Hintergrund schluchzte und Squagganeek, etwas näher, heulte wie ein wildes Tier. Dann wurde ihm klar: ihre Röcke. Er blutete, er war verletzt, und sie stillte das Blut mit ihren Röcken. Jetzt konnte er sie sehen, das Licht umflimmerte sie wie ein Heiligenschein, der nicht von dieser Welt war, ihr lockiges Haar fiel lose herab, ihr Gesicht war kreidebleich, und ihr Kleid war mit seinem feuchten, dunklen Blut getränkt. »Neeltje?« sagte er und versuchte, die Ohnmacht abzuschütteln und sich aufzusetzen.
    »Ich bin ja da«, sagte sie und fügte bestürzt flüsternd seinen Namen an, »– Jeremias.«
    Und dann war da die andere Stimme, jene Stimme, die ihn vor Haß erbeben ließ, obwohl er flach auf dem Boden lag. »Tut mir leid, daß es so gekommen ist«, sagte der schout, und nun sah ihn Jeremias auch, riesengroß, nichts als Nase und breitkrempiger Hut, hoch wie ein Baum und dick genug, um die Sonne zu verfinstern, »und es tut mir leid, daß ich Euch geschlagen habe. Aber Ihr müßt lernen, Autorität zu respektieren, Ihr müßt wissen, wo Euer Platz ist.«
    »Oh, vader, bitte. Du siehst doch, daß er verletzt ist!«
    Der schout redete weiter, als hätte er sie nicht gehört, als wäre sie aus Papier oder aus Luft. »Kraft der Vollmacht, die mir der Herr und Besitzer dieser Ländereien, patroon Oloffe Stephanus Van Wart, verliehen hat«, begann er im näselnden Ton offizieller Ankündigungen, »setze ich Euch, Jeremias Van Brunt, hiermit in Kenntnis, daß Ihr Euch nunmehr in gesetzlichem Gewahrsam

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