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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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als ob’s auf deiner Party regnen wird.«
    Walter zuckte die Achseln. Er fühlte sich ziemlich betäubt. Sekt, Gras, ein Schluck hiervon und ein Zug davon, der Bourbon im Kaffee am Morgen und die Exzesse der letzten Nacht: der kumulative Effekt machte sich langsam bemerkbar. Er war verheiratet, dort drüben unter der Eiche stand seine Braut, soviel wußte er noch. Er wußte zudem, daß sie in ein paar Stunden den Zug nach Rhinebeck nehmen und dort in einem altmodischen Hotel voll düsterer Winkel und verstaubtem Nippes absteigen würden, und dann würden sie vögeln und ineinandergekuschelt einschlafen. Was das Wetter anging, das war ihm scheißegal. »Was hast du denn erwartet?« sagte er und warf die leere Flasche ins Gras. Dann nahm er Pompey beim Arm und machte sich auf die Suche nach einer neuen.
    Das Gewitter brach erst knapp eine Stunde später los, und inzwischen war der zweite nicht geladene Gast erschienen. Obwohl er dagegen angekämpft hatte, war sich Walter durchaus bewußt, daß er momentan für Geschichte, Erinnerungen und die Muster der Vergangenheit sehr empfänglich war, und den ganzen Tag lang hatte er ein wenig damit gerechnet, irgendwann aufzublicken und seinen Vater zu sehen, wie er auf dem Geländer der Veranda zwischen Tom Crane und Hector Mantequilla saß oder sich einen Weg durch das hohe Gras bahnte, eine Flasche billigen Sekt in der mächtigen Pranke. Doch es war nicht sein Vater, der aus dem Schatten der Bäume hervortrat, als Walter gerade an die Wand der Kate pinkelte – es war Mardi.
    Sie kam direkt auf ihn zu, ein Anflug von Lächeln auf den Lippen, in der Hand hielt sie ein in Geschenkpapier gewickeltes Päckchen. Er versuchte sich in Nonchalance, doch ging er, wie er bald feststellte, beim Harnlassen etwas zu hastig vor, beim Einpacken und dem Zuziehen des Reißverschlusses, so daß er, als er sich zu ihr umdrehte, warmen Urin im Schritt seiner Hose und auf dem Oberschenkel spürte. »Hallo«, sagte sie. »Erinnerst du dich an mich?«
    Sie war barfuß, hatte einen Minirock an (diesmal keinen aus Papier, nichts, was sich in seinen nassen Händen auflösen könnte, sondern einen aus Leder) und eine glitzernde, tief ausgeschnittene Bluse, die zu ihrer Augenfarbe paßte. Sie trug eine indianische Perlenkette um den Hals und Ohrringe aus winzigen Muscheln und Federn. Sie sah aus wie ihre Mutter. Sie sah aus wie ihr Vater. »Klar«, sagte Walter, »sicher erinnere ich mich«, und dann blickten sie beide auf seinen Fuß.
    »Ich hab dir das hier mitgebracht«, sagte sie und gab ihm das Päckchen.
    »Oh, Mensch, aber das brauchst du doch nicht –« begann er, wobei er sich reflexartig nach Jessica umsah, aber es war niemand in der Nähe. Sie standen allein hinter der Hütte; die Vögel waren schlagartig verstummt, und der Himmel sah aus wie die Unterseite eines Traums. Das Paket war klein und schwer. Er riß das Papier auf. Messing und Holz, metallene Schwere: er hielt ein Fernrohr in der Hand. Oder nein, es war ein Fernrohr, an dem noch etwas anderes befestigt war, ein Viertelkreis aus stumpfem Messing, der eingeritzte Eichstriche trug und mit Klammern, Schrauben und Spiegeln besetzt war. Sie beobachtete ihn. Er fing ihren Blick auf und sah dann wieder auf das Objekt in seiner Hand, bemühte sich um eine würdigende Kennermiene. »Es ist, äh ... hübsch. Wirklich hübsch.«
    »Weißt du, was das ist?«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Eigentlich nicht.« Das Messing hatte Grünspan angesetzt, die Holzteile des Fernrohrs waren abgestoßen und voller Kerben, als hätte in urdenklichen Zeiten ein ausgesetzter Seemann darauf herumgekaut. »Sieht alt aus«, versuchte er es.
    Mardi grinste ihn an. Sie hatte kein Make-up aufgelegt – oder jedenfalls nur einen Hauch. Ihre Beine waren nackt und kräftig, und ihre Füße – gleichmäßig gebräunt, mit zarten Knochen, perfektem Rist und einem Netzwerk von tiefblauen Venen – waren wunderschön. »Das ist ein Sextant«, sagte sie. »So was haben sie früher zum Navigieren benutzt. Mein Vater hatte ihn herumliegen.«
    »Ah«, sagte Walter, als hätte ihm das schon längst klar sein sollen. Er war frisch verheiratet, er war stoned und aufgedreht, der Himmel brach auf, und Blitze fuhren in die Bäume. Er hielt einen Sextanten in der Hand und fragte sich warum.
    »Es ist so eine Art Witz«, sagte sie. »Damit du den Weg zu mir finden kannst, verstehst du?« Er verstand nicht, aber ihre Worte bewegten ihn. »Erinnerst du dich nicht? An die Nacht

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