Worldshaker
noch nicht am Ende.
»Sein Wort gegen das ihre«, sagte er. »Letztendlich ist es eine Frage des Charakters. Wer würde wohl am ehesten die Wahrheit sagen? Ich denke, wir haben eine Kleinigkeit vergessen.«
Er stand hinter seinem Tisch auf. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Seine scharfgeschnittene Nase zeigte wie der Schnabel eines Raubvogels auf Col.
»Was hat er da eigentlich in die Versorgungsschütte geworfen? Was hat er seinen Freunden, den Dreckigen, hinunter geworfen?«
Eine Schockwelle ging durch den Raum. Seinen Freunden, den Dreckigen war eine bewusste Provokation.
Col sah seinen Großvater an.
Keine Frage, er müsste sagen, dass sie alle logen, oder? Aber Sir Mormus’ Gesichtsausdruck war nichts zu entnehmen.
»Nun, Colbert«, sagte Königin Victoria, »was war es?«
Gerade wollte er sagen Es hat nie existiert, da donnerte Sir Mormus: »Ich habe es ihm gegeben.«
Der erste Schock war nichts im Vergleich zu diesem.
»Ich verstehe nicht«, sagte Königin Victoria leise.
»Es ist sehr einfach, Eure Majestät. Er hatte von mir einen Auftrag bekommen. Ich habe es ihm gegeben und ihm die Zahlenkombination der Tür genannt.«
»Was? Warum?«, fauchte Sir Wisley, als er merkte, dass ihm seine Beute entglitt.
Sir Mormus sprach jetzt nur noch zur Königin. »Ich kann das nicht vor all diesen Leuten erklären, Eure Majestät.« Mit einer Geste bezeichnete er die Wachleute, Dr. Blessamy und die sechs Jungen. »Nur vor der Exekutivkammer.«
»Hmm.« Königin Victoria schürzte die Lippen. »Streng vertrauliche Informationen. Nur die Kammer. Sehr gut. Alle anderen verlassen den Raum.« Dr. Blessamy ging als Erster, gefolgt von der Squellingham-Clique und den Wachmännern. Niemand hatte Col aufgefordert zu gehen. Also blieb er.
Sir Mormus räusperte sich und sprach sehr langsam, sehr bedächtig. »Ich habe meinem Enkel einen versiegelten Behälter mit einer speziellen Droge gegeben. Er sollte am Ende der Schütte zerschellen, und die Droge wäre zerstäubt worden. Die Dreckigen hätten sie eingeatmet.«
»Aber zu welchem Zweck, Mann?«, fiel ihm Prinz Albert ins Wort. »Wozu sollte das gut sein?«
»Damit sie wach bleiben, Hoheit. Die Droge ist ein starkes Aufputschmittel. Wach bleiben, damit sie länger arbeiten können.«
»Länger arbeiten?«, murmelte Konteradmiral Haugh.
»Ein geheimes Experiment«, fuhr Sir Mormus fort. »Wie der Exekutivkammer bekannt sein dürfte, sind der preußische und der österreichische Juggernaut in der letzten Zeit genauso zügig vorangekommen wie wir. Da unsere Maschinen immer noch die größten und die besten sind, bin ich der Meinung, dass sie ihre Dreckigen härter arbeiten lassen als wir. Unsere schlafen zuviel, und das macht uns langsamer. Wir müssen einen Weg finden, mehr Arbeit aus ihnen rauszuholen.«
»Mit einem Ausputschmittel?«, spottete Sir Wisley.
»Ja.« Sir Mormus stand aufrecht wie ein Fels in der Brandung.
Col konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand Sir Mormus’ Geschichte akzeptieren würde. Sie war allzu offensichtlich völlig hanebüchen. Aber nur Sir Wisley wagte es, ihn zur Rede zu stellen.
»Als also ihr Enkel die Schütte hinunterfiel, landete er in der Drogenwolke?«
Col sah, dass es jetzt an ihm lag. »Ja, so ist es«, sagte er. »Ich musste husten.«
Sir Wisley wandte sich zu Col. Seine Goldfüllungen glitzerten. »Und ich nehme an, du bist unheimlich munter geworden?«
»Ja.« Col hatte eine Eingebung. »Ich war so schnell, dass die Dreckigen mich nicht gekriegt haben. Und so konnte ich hochklettern.«
»Das glaube ich nicht.«
»Zweifeln Sie sein Wort an? Zweifeln Sie mein Wort an?« Sir Mormus senkte seine Augenbrauen, wie ein Stier, der im Begriff ist anzugreifen.
»Jawohl.«
»Sie wollen mein Wort in Frage stellen?« Sir Mormus’ Stimme erhob sich zu einem tosenden Gebrüll. »Sie stellen Ihren Oberbefehlshaber in Frage?«
»Ich glaube es nicht.«
» Wie können Sie es wagen! «
Die Kammer war in Aufruhr: das Oberhaupt der Porpentines und das Oberhaupt der Squellinghams in direkter Konfrontation, von Angesicht zu Angesicht. Keiner von beiden wollte den Blick senken.
Wie Riff und Narbengesicht, dachte Col, nur dass dieser Streit nicht durch einen Ringkampf entschieden wird.
De facto wurde die Sache durch die Königin beigelegt. Sie erhob sich von ihrem Thron und hielt sich die Hände über die Ohren – vielleicht versuchte sie auch nur, ihren Kopf, den die schwere Krone drückte, etwas zu entlasten. »Ich
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