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Worldshaker

Worldshaker

Titel: Worldshaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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Gerüchte, und so waren die Porpentines nicht mehr die Einzigen, die das Geheimnis kannten. Bisher redete noch niemand offen darüber, aber aus den Blicken der anderen Familien sprach ein gewisses Misstrauen ihm gegenüber. Er spürte es bei einem Höflichkeitsbesuch morgens, bei den Trumpingtons, und nachmittags, als er den Jessicles seine Aufwartung machte. Beim Abendessen bei den Paramoughs wurde es jedoch schlimm.
    Der Anlass war die Einweihungsfeier ihres neu eingerichteten Salons. Jeder bewunderte die riesigen Wandspiegel, den vergoldeten Fries und die Deckenfresken. Gesindlinge liefen mit Tabletts umher und versorgten die Gäste mit Essen und Getränken.
    Im allgemeinen Geschiebe und Gedränge hielt sich Col immer in Ebnolias oder Sir Mormus’ Nähe auf. Er spürte, dass man ihn beobachtete und jede seiner Gesten registrierte und prüfte. Geradeso, als wäre er immer noch mit Schmiere und Ruß überzogen.
    Wenn jemand vorbeikam, um sich zu unterhalten, bezog Ebnolia Col in das Gespräch mit ein. Man sprach über die neuesten Nachrichten, über Kinder und Familien, über gesellschaftliche Ereignisse und öffentliche Anlässe. Aber was am Freitag geschehen war, dem Tag, als er nach Unten gefallen war – darüber wurde nicht gesprochen. Er war sich sicher, dass alle das Thema absichtlich mieden.
    Er versuchte, es seinen Großeltern gleichzutun und den Blicken, mit denen man ihn musterte, zu trotzen. Er würde diesen Freitag einfach ausblenden, als hätte es ihn nie gegeben. Aber gegen Ende des Abendessens unterlief ihm ein schwerer Schnitzer.
    Er aß gerade einen Muffin, als ein Stück davon abbrach und auf den Boden fiel. Blitzschnell bückte er sich und hob es auf. Es war eine unmittelbare Reaktion – wie die Reaktionen der Dreckigen in ihrer lebensgefährlichen Umgebung. Aber hier war sie fehl am Platz. Er nahm wahr, wie quer durch den Raum leise Luft geholt wurde und das Gespräch kurz stockte.
    Natürlich gehörte es sich nicht für einen Porpentine, Dreck zu beseitigen. Natürlich hätte er darauf warten müssen, dass ein Gesindling das für ihn erledigte. Natürlich, natürlich, natürlich!
    Ebnolia lenkte davon ab, indem sie den nächsten Gesindling anfuhr: »Du da. Komm mal her. Sofort. Gib doch acht.« Sie wollte den Anschein wecken, als hätte der Gesindling zu langsam reagiert. »Mein Enkel will dir etwas sagen.«
    Col reagierte auf sein Stichwort und wies den Gesindling mit lauter, strenger Stimme zurecht: »Nächstes Mal bist du schneller. Und zwar ohne dass man dich erst rufen muss. Streck deine Hand aus.« Der Gesindling streckte eine Hand aus, und Col legte ihm das Stückchen Kuchen in die Hand. »Und jetzt fort mit dir. Geh mir aus den Augen.«
    Noch während er sprach, merkte er, dass sein tyrannischer Ton unwirklich klang, nicht überzeugend.
    »Wie ich schon sagte –«, fuhr Sir Mormus fort.
    Es war vorbei. Aber Col konnte sich nicht mehr dazu überwinden, Smalltalk zu machen.
    So wird es also in Zukunft sein, dachte er. Eine elende Zukunft schien sich vor ihm ins Unendliche zu erstrecken. Er würde immer eine Rolle spielen, während alle anderen vorgeben würden, im gewohnten Trott weiterzumachen, als wäre nichts geschehen. Er würde wissen, was die Leute in Wirklichkeit dachten … und sie würden wissen, dass er es wusste … aber niemand würde jemals laut darüber sprechen. Er war für immer in dieser sonderbaren Zwischenwelt gefangen.
    Gegen Ende des Abendessens hätte er nur noch schreien mögen. Stattdessen stürzte er in sein Zimmer und warf sich aufs Bett. Erleichtert wandte er sich jener anderen Welt da Unten zu, wo schnelles Reagieren den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachte. Er dachte an seine Kletterpartie mit Riff und ihr erstaunliches akrobatisches Geschick.
    Aber diese Erinnerung hatte andere, weniger angenehme Erinnerungen im Gefolge. Er dachte an die Versammlung des Revolutionsrates, wo er versprochen hatte, ein Seil für sie herunterzulassen. Das tätowierte Mädchen mit Namen Dunga hatte gesagt: Hoffen wir, dass du es nicht bereuen wirst, und Riff hatte geantwortet: Er wird es tun. Aber er hatte es immer noch nicht getan …
    Was mochte sie wohl jetzt von ihm denken? Er konnte ihr nicht erzählen, was nach seiner Rückkehr geschehen war, dass alles um so vieles schwieriger geworden war.
    Und dann war ihm noch ein Bild von der Ratsversammlung im Gedächtnis haften geblieben. Er sah die Blicke, die Riff und Padder einander zuwarfen, als Fossie sagte, Col sähe

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