Worm
man sie ernst nimmt, ja, aber das hier war etwas anderes. Das hier war … eher so etwas wie … eine virtuelle Panik. Die Öffentlichkeit war nicht alarmiert, sie war belustigt. Was zum Teufel war hier los?
Das Problem lag in der Natur der Sache. Die Gefahr an sich war rein potenziell. Würde man den Leuten sagen, dass auf dem Times Square eine schmutzige Bombe tickte, würden sie das sofort kapieren. Um aber die von Conficker ausgehende Gefahr zu verstehen, musste man verstehen, wie das Internet funktionierte, wie lebenswichtig es für die moderne Gesellschaft geworden war und wie viel Schaden man mit ein paar Millionen Computern anrichten konnte, die alle zur selben Zeit am selben Strang zogen.
Rodney hatte sein eigenes kleines Gebet für den großen Moment: »Lieber Gott, mach, dass es ein Experiment ist, das einfach so richtig außer Kontrolle geraten ist.«
Millionen Augen sahen zu und warteten, als die Atomuhren, die die koordinierte Weltzeit anzeigten, die letzten Sekunden im März 2009 abzählten, immer näher dem C-Day entgegen, dem Moment, an dem die C-Variante ihre Anweisungen erhalten sollte, dem Tag, an dem das mächtige Botnetz zum Leben erwachte …
und!!!
und!!!
!!!
!!
!
… nichts geschah.
** Ein Oldtimer, der eines der Wahrzeichen der Georgia Tech University ist (A. d. Ü.).
11
Aprilnarren
X-Men, unser Tag ist gekommen.
– The X-Men Chronicles
Die Geschichte kennt keine Momente wie Appomattox mehr, das Schlachtfeld, auf dem der Konföderierten-General Robert E. Lee am 9. April 1865 vor Unions-General Ulysses S. Grant kapitulierte und damit die Niederlage des Südens im amerikanischen Bürgerkrieg besiegelte. Kriege enden heute nicht auf mehr auf eine Weise, die man als zufriedenstellend, geschweige denn als Triumph beschreiben könnte. In der modernen Kriegsführung gibt es so etwas wie uneingeschränkte Siege oder endgültige Niederlagen nicht mehr. Kein Lee mehr, der Grant als Zeichen der Kapitulation sein Schwert überreicht, kein Shigemitsu, der auf dem Deck der USS Missouri seine Unterschrift unter die bedingungslose Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg setzt, vor Wochenschau-Kameras, die den Moment des Triumphs für die Ewigkeit festhalten, mit Leuten, die auf dem Times Square in New York vor Freude tanzen und einander in die Arme fallen. Moderne Kriege versanden. Die Opferzahlen steigen. Die Öffentlichkeit wird ungeduldig. Die Staatskasse von Schwindsucht erfasst. Die regierende Partei abgewählt. Man gewinnt nicht mehr, man erklärt sich zum Sieger. Häufig tun das beide Seiten. Und manchmal haben beide recht … auf ihre eigene Weise.
Ein weiteres Erkennungsmerkmal des modernen Kriegs: Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist von überragender Bedeutung! In dieser Hinsicht war der Kampf gegen Conficker definitiv eine Pleite. Um nicht zu sagen ein Witz.
Ein Posting im MW -Blog, einer auf die Schadprogramm-Forschung spezialisierten Website, verspottete die Kassandrarufe der »Kabale« mit Verweis auf den bahnbrechenden Moment der seltsamen Schleife aus Douglas Hofstadters Buch Gödel, Escher, Bach, in dem ein komplexes, selbstbezügliches Programm aus dem System herausspringt, blinzelt und anfängt, selbständig zu denken:
Jetzt ist genau das eingetreten, was Sicherheitsexperten rund um die Welt seit langer Zeit befürchtet haben. Das Conficker-Botnetz ist groß genug geworden, und eine Minute nach Mitternacht, am 1. April, hat es schließlich das Bewusstsein erlangt. Aus Neuseeland erreichen uns Meldungen, dass ein digitaler Bilderrahmen mit eingebettetem XP durchgedreht ist und Fotos anzüglicher Akte anzeigt, ausgeführt mit Schafen.
Die »Kabale« musste schwer einstecken. Die Geeks hatten blinden Alarm geschlagen! Schon wieder!
Auf der Website der Zeitschrift Wired machte sich an diesem Morgen Kevin Poulsen in einem pointiert geschriebenen Blog über die Sache lustig:
Wir werden diese Plage den Tag hindurch begleiten, also schauen Sie immer mal wieder für die neusten Updates herein. Das Lagezentrum wird im Live-Blog von der Cyber-Apokalypse berichten, bis das Internet zu einem glimmenden Haufen Lötmetall und Cat-5-Kabeln zusammengeschmolzen ist oder von Conficker befehligte Androiden unsere Türen einschlagen und uns die Tastaturen aus den Händen reißen.
Wie es aussieht, spielt der Wurm auf Zeit – wiegt uns in ein falsches Gefühl der Sicherheit und heckt derweil seinen nächsten Schritt aus. Bleiben Sie eingeloggt.
… 12:20 EDT :
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