Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus
Lamartine, Alfred de Musset und Victor Hugo. 1848, im gleichen Jahr, in dem Karl Marx und Friedrich Engels das »Kommunistische Manifest« verfassten, hörte er die erregten Berichte von der Februarrevolution, die zum Sturz der Juli-Monarchie und des Bürgerkönigs Louis Philippe führte. Die Juli-Monarchie war in Frankreich auch das goldene Zeitalter des Großbürgertums gewesen, »Enrichissez-vous!« (Bereichert euch!) hatte dessen ungenierte Devise im Rahmen hemmungsloser Kapitalisierung und Industrialisierung gelautet. Damit schien es nun erst einmal vorbei zu sein. Jetzt wurde nach den blutigen Barrikadenkämpfen die Republik ausgerufen, zu deren Präsidenten man im Dezember desselben Jahres Charles Louis Napoléon Bonaparte wählte; 1851 initiierte dieser einen Staatsstreich, der ihm umfassende Regierungsvollmachten verlieh. Ende 1852 ließ er sich, gestützt auf ein Plebiszit, zum erblichen »Kaiser der Franzosen« ausrufen – mit ihm saß auch das Großbürgertum wieder fest im Sattel. 1858 übersiedelte Zola mit seiner Mutter nach Paris und besuchte in der Millionenstadt das Lycée Saint-Louis, das er später allerdings ohne Abschluss verließ.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der Stadtpräfekt Baron Georges Eugène de Haussmann das Aussehen der Metropole durch gewaltige Straßenschneisen und anderweitige städtebauliche Maßnahmen radikal verändert. Die so genannten schönen Viertel verlagerten sich immer weiter nach Westen und vertrieben die Bauernhöfe und ländlichen Vorstädte. Kaufhäuser, diese Tempel des modernen Handels, die Zola in »Das Paradies der Damen« feiert, öffneten eines nach dem anderen ihre Tore. Es war die Zeit einer florierenden Wirtschaft, der leichten Mädchen und der Duelle. Doch je mehr sich diese »schöne Epoche« dem Ende des Jahrhunderts, dem »Fin de Siècle«, näherte, desto mehr veränderte sie sich. Die Anzahl brutal unterdrückter Arbeiterstreiks nahm zu, es kam zu zahlreichen Finanzskandalen, Absinth, Tuberkulose und Syphilis fanden vor allem in Paris Verbreitung, Reichtum und Armut begegneten sich immer krasser. Zola, der sich seit 1888 zunehmend für das neue Medium der Fotografie begeisterte, hielt allerdings in seinen Aufnahmen weniger das volkstümliche oder arme als vielmehr das mondäne und unverbindlich malerische Paris fest – Sozialkritik behielt er seinem literarischen Werk vor.
DER INTELLIGENTE BOHEMIEN
Zweimal fiel Zola 1859 beim Abitur durch, erst in Paris, dann bei der Wiederholung in Marseille. Beide Male versagte er, der damals seine ersten Gedichte und Erzählungen in Zeitungen veröffentlichte, im Fach Französisch. Der Titel seines frühesten größeren Werkes lautete »Die leichtfertigen Mädchen der Provence«, ein Buch mit einem ausgesprochenen Modethema. Aber noch immer suchte Zola nach dem richtigen Lebensweg. Ab April 1859 erhielt er eine Anstellung bei der Pariser Zollverwaltung, an den Docks Napoléon, eine eintönige und schlecht bezahlte Schreiberarbeit. Nur zwei Monate hielt er diese wenig anregende Beschäftigung aus, dann kündigte er und stürzte sich in das Leben und Treiben der Bohème. Da er jedoch von irgendetwas leben musste, bewarb er sich im Februar 1862 beim Verlag Hachette. Dort stieg er in kurzer Zeit vom Packer und Lageristen zum Chef der Werbeabteilung auf. In dieser Funktion kam Zola mit einer Reihe Intellektueller, die sein späteres Schaffen noch maßgeblich beeinflussen sollten, in Berührung. Im folgenden Jahr, am 31. Mai 1863, heiratete er die ein Jahr ältere Gabrielle-Alexandrine Meley. Im Oktober 1864 legte er der Öffentlichkeit sein erstes Buch vor: »Erzählungen an Ninon«. Im Jahr darauf erschien »Die Beichte eines Knaben«, ein romantisches, stark autobiografisch gefärbtes Werk, in dem erstmals auch das für Zola so wichtige Dirnenthema auftaucht: Ein idealistischer Literat entbrennt in Liebe zu einer Prostituierten und geht an dieser Leidenschaft zugrunde.
HIPPOLYTE TAINE
(* 1828, † 1893)
Die naturalistische Ästhetik orientierte sich an der positivistischen Philosophie und an zeitgenössischen naturwissenschaftlichen Theorien. Besonders wichtig für Zola war der Philosoph und Kulturkritiker Hippolyte Taine. Dem zufolge sollten die Geisteswissenschaften den gleichen Objektivitätsanspruch erhalten wie die Naturwissenschaften.
Literarische Kunstwerke seien, wie Taine verkündete, auf die drei bestimmenden Faktoren »Rasse, Milieu und Moment (historische Zeitsituation)«
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