Worte bewegen die Welt
war Caesar schon über ein Jahr tot. Zum Zeitpunkt der entscheidenden Schlacht zwischen den Kontrahenten Octavian und Marcus Antonius, die 31 v. Chr. bei Aktium stattfand und mit dem Sieg Octavians endete, war Ovid erst zwölf Jahre alt. Als Octavian unter dem Namen Augustus 27 v. Chr. eine neue Monarchie begründete, hatte Ovid gerade das Alter, in dem junge Römer in einer feierlichen Zeremonie die »toga virilis«, die Männertoga, anlegten, um damit ihren Eintritt ins Erwachsenenalter zu dokumentieren. Es waren also gesicherte innere und äußere Verhältnisse, die Segnungen der vom Kaiser herbeigeführten »Pax Augusta«, des Augusteischen Friedens, in die Ovid hineinwuchs und die ihm eine unbeschwerte Zukunft verhießen.
POLITISCHE KARRIERE
Von seinen älteren Kollegen unterschied sich Ovid vor allem darin, dass er von Haus aus sehr begütert war. Der Vater, ein reicher Großgrundbesitzer, plante denn auch eine standesgemäße politische Karriere und träumte vielleicht sogar davon, dass der Sohn eines Tages im Senat von Rom sitzen würde. Voraussetzung dafür waren eine gute juristische und rhetorische Ausbildung. Die finanziellen Möglichkeiten des Vaters ermöglichten Ovid den besten Unterricht in der Hauptstadt Rom. Und wie es beim politischen Nachwuchs üblich war, begab sich Ovid auch auf eine Bildungsreise nach Griechenland und Kleinasien. Nach Rom zurückgekehrt, absolvierte er noch die ersten Schritte auf der vorgeschriebenen Ämterlaufbahn, vollzog dann aber einen radikalen Schnitt, verzichtete auf alle politischen Ambitionen und widmete sich voll und ganz der Dichtkunst. Das väterliche Vermögen gab ihm für diese Existenz den finanziellen Rückhalt.
DIE LIEBESDICHTUNG
Ovid war etwa 23 Jahre alt, als er sein erstes Werk veröffentlichte. Zu jener Zeit hatte er bereits die für einen jungen römischen Dichter unverzichtbaren Verbindungen geknüpft. Vor allem profitierte er von der Freundschaft mit Messalla Corvinius, einem der mächtigsten Männer im Staat des Kaisers Augustus, zu dessen Leidenschaften die Förderung literarischer Talente gehörte. Messalla nahm für Ovid eine ähnliche Stellung ein wie zur selben Zeit der reiche Maecenas für Horaz, Vergil und andere Dichter. Wohl durch den Kreis um Messalla wurde Ovid auf das für sein Wirken so charakteristische Genre der Liebeselegie gelenkt. Das Erstlingswerk »Amores«, in einer frühen Fassung um 20 v. Chr. veröffentlicht, wurde ein großer Erfolg. In heiterironischer Weise erzählt Ovid in der Rolle eines fiktiven jungen Dichters von seinen amourösen Abenteuern mit einer Dame namens Corinna und mit anderen jungen Frauen. Danach wechselte er offenbar für kurze Zeit die Gattung und schrieb die heute nicht mehr erhaltene Tragödie »Medea«. Doch schon bald kehrte er wieder zu dem vertrauten Metier der Liebesdichtung zurück. Zwischen 15 und 1 v. Chr. erfreute er das römische Publikum mit der schrittweisen Veröffentlichung der »Heroiden«, einer Sammlung von 15 Briefen mythischer Frauengestalten an ihre sich in der Fremde aufhaltenden Ehemänner oder Geliebten. In der Serie der erotischen Dichtungen folgte die »Ars amatoria« (»Liebeskunst«), eine Anleitung, wie junge Männer zur Erfüllung ihrer diesbezüglichen Wünsche gelangen können. »Wenn in diesem Volk jemand«, so verkündet Ovid am Anfang des Buches selbstbewusst, »die Kunst des Liebens noch nicht kennt, lese er dieses Gedicht und liebe dann mit Verstand.« Wieder reagierte das Publikum euphorisch. Auf Wunsch der weiblichen Leserschaft erweiterte Ovid die »Liebeskunst« um amouröse Empfehlungen für Frauen. Doch mag so mancher Skeptiker ein Lehrbuch über die Liebe für unangemessen und unmoralisch gehalten haben: Gewöhnt war man bis dahin an Lehrgedichte, die sich im Stile eines Hesiod oder eines Vergil mit erhabenen und ernsten Themen wie dem Landbau beschäftigten. Aber Ovid war nicht zu bremsen. Gleich nach der »Liebeskunst« erschienen die »Remedia amoris«, die »Heilmittel gegen die Liebe« mit Rezepten zur Befreiung von einer unglücklichen Liebe. Schließlich folgte noch ein kleines, nicht vollständig erhaltenes Werk mit dem Titel »Schönheitsmittel für die Frauen«.
›Ich bin der Meistgelesene in der ganzen Welt.‹
Ovid
WECHSEL DES LITERARISCHEN GENRES
Hätte Ovid mit diesen literarischen Werken seine Tätigkeit als Schriftsteller beendet, so wäre er als ein Autor in die Geschichte eingegangen, der durchaus kunstvoll, aber auch geläufige Genres
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