Worte bewegen die Welt
kein Bürgerkriegswahnsinn und keine Gewalttaten das ruhige Leben«.
Dem Kaiser imponierte die Art und Weise, wie sich Horaz für die Pflege altrömischer Werte einsetzte. Das entsprach so ganz seinen Bestrebungen, die römische Gesellschaft durch die Rückbesinnung auf das alte Römertum moralisch und sittlich zu festigen. So erschien ihm Horaz auch als die geeignete Persönlichkeit, das Festlied für die Feiern zu komponieren, mit denen 17 v. Chr. offiziell der Eintritt eines neuen Zeitalters proklamiert wurde. Mit dem Ergebnis war der Kaiser mehr als zufrieden, pries Horaz in diesem Lied doch in höchsten Tönen die Segnungen der Herrschaft des Augustus und bat die Götter um den Schutz von Stadt und Reich. Der Kaiser war so angetan, dass er dem Dichter den einträglichen Posten eines persönlichen Sekretärs anbot. Horaz lehnte jedoch ab und begründete seinen Verzicht diplomatisch mit seiner angegriffenen Gesundheit. Augustus respektierte den Wunsch nach Unabhängigkeit und schrieb ihm sogar einige versöhnliche Zeilen: »Wenn du auch so stolz warst, meine Freundschaft zu verschmähen, so will ich nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Du kannst über alle Rechte verfügen, als lebtest du ständig bei mir. Komm nur, sooft es deine Gesundheit erlaubt.« In einem anderen, den vertraulichen Umgangston zwischen Kaiser und Dichter dokumentierenden Brief machte er seine Späße über das wohl nicht sehr ansehnliche Äußere des Horaz. Sich selbst hat Horaz, der sich als »Vates«, als göttlich inspirierten Seher bezeichnete, im Alter von 44 Jahren als klein, dick und frühzeitig ergraut beschrieben.
DIE »ARS POETICA«
Im zweiten Buch der »Episteln« beschäftigt sich Horaz in der »Epistula ad Pisones«, die unter der Bezeichnung »Ars poetica« die europäische Literatur wesentlich beeinflusste, mit den Anforderungen, denen ein dichterisches Werk genügen müsse, sowie mit der Funktion und dem Wesen des Dichters. In Anlehnung an Aristoteles postuliert er die Ganzheit und Geschlossenheit des Werkes als grundlegende Forderung der Dichtung.
Der Einfluss der Rhetorik auf die Poetik verstärkte sich in der nacharistotelischen Zeit: Die »Angemessenheit« der Mittel, wie sie etwa Theophrast und Horaz forderten, sollte der römischen Poetik zufolge die Harmonie des Werks ermöglichen und so die Wahrscheinlichkeit ebenso wie die Freiheit der Fiktion garantieren.
Wirkungsgeschichtlich war die Definition von Horaz bedeutsam, der zufolge »delectare et prodesse« – Vergnügen bereiten und nützen – als Aufgabe der Dichtung angesehen werden, sodass Gefühl und Verstand gleichermaßen angesprochen werden.
Ende September des Jahres 8 v. Chr. starb Maecenas, der langjährige Freund und Gönner des Horaz. Genau 57 Tage später, am 27. November, folgte ihm der Dichter ins Grab – man könnte meinen, er habe das Versprechen wahr machen wollen, das er Maecenas in einer seiner Oden gegeben hatte: »Gehen werde ich, sobald du vorausgehst.« Und nicht einmal im Tod blieben sie getrennt: Das Grab des Horaz auf dem Esquilin in Rom wurde ganz in der Nähe der letzten Ruhestätte des Maecenas angelegt.
OVID
POET DER LIEBE, DER VERWANDLUNG, DES EXILS
Der jüngste der großen römischen Dichter aus der Zeit des Kaisers Augustus war ein Mann der Skandale. Zwar gewann Ovid mit seinen freizügigen Versen rasch die Sympathien der kulturell wichtigen Kreise der Stadt Rom. Dem sittenstrengen Kaiser, der die moralische Erneuerung der Gesellschaft auf seine Fahnen geschrieben hatte, waren sie jedoch ein Dorn im Auge. Aus einem bis heute unbekannten Grund verbannte Augustus den Dichter ans Schwarze Meer
.
20. 3. 43 v. Chr.
Geburt in Sulmo (heute Sulmona)
um 20 v. Chr.
Veröffentlichung des ersten Werkes »Amores«
1 v. Chr.–10 n. Chr.
Entstehung der »Metamorphosen«
8 n. Chr.
Verbannung nach Tomis am Schwarzen Meer
um 17 n. Chr.
Tod in Tomis (heute Konstanza)
Geboren wurde Ovid, der mit vollem Namen Publius Ovidius Naso hieß, am 20. März des Jahres 43 v. Chr. Damit war er erheblich jünger als so manche jener renommierten Dichterkollegen, die zu dieser Zeit die literarische Szene in Rom beherrschten. Horaz, Vergil oder Properz hatten die lange Phase der Bürgerkriege, die nach der Ermordung des Diktators Iulius Caesar ausgebrochen waren, noch sehr bewusst miterlebt. Daher sind auch ihre Dichtungen stark von diesen Ereignissen geprägt. Als Ovid in dem Gebirgsort Sulmo in den Abruzzen, dem heutigen Sulmona, zur Welt kam,
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