Worte bewegen die Welt
rückblickend zu einer Phase der finanziellen Not und der materiellen Entbehrung stilisiert. Überhaupt habe ihn erst diese Misere zur Dichtkunst gebracht: »Die Armut machte mich kühn und verwegen, Verse zu schreiben.« Wie so häufig bei Horaz wird man gut daran tun, diese Klage nicht zu wörtlich zu nehmen. Durch seine berufliche Tätigkeit hatte er ohne Frage ein gutes Auskommen. Aufgrund seines bisherigen Bildungsweges und der ständigen Ermahnungen seines Vaters fühlte sich Horaz jedoch sicherlich zu Höherem berufen, als für den ordnungsgemäßen Zustand öffentlicher Kassen zu sorgen; zu dieser Zeit begann er mit dem Schreiben.
DER ENTSCHEIDENDE KONTAKT
Schon bei seinen ersten lyrischen Versuchen muss sich Horaz so geschickt angestellt haben, dass einflussreiche Persönlichkeiten, die ihm weiterhelfen konnten, auf den Gelegenheitsdichter aufmerksam wurden. Insbesondere ist es der damals bereits angesehene Dichterkollege Vergil gewesen, der den für die weitere Karriere des Horaz entscheidenden Kontakt zu Maecenas knüpfte. Dieser Angehörige einer reichen Familie aus Etrurien war ein enger Freund von Octavian, dem späteren Kaiser Augustus, und hatte an dessen Seite – gegen Brutus und somit Horaz – an der Schlacht von Philippi teilgenommen. Das Hauptinteresse des reichen Römers aber galt nicht der Politik, sondern der Förderung literarischer Talente. So gehörte etwa Vergil zu seinen Entdeckungen, und dieser setzte sich nun bei seinem Mentor für den noch völlig unbekannten Horaz ein. Die erste Begegnung mit Maecenas, mit dem Horaz später eine sehr enge, lebenslange Freundschaft verband, fand im Frühjahr 38 v. Chr. statt. Der Dichter, der in seinen Werken auch über sich selbst Auskunft gibt, hat das Vorstellungsgespräch in Form einer Ansprache an seinen Gönner genau beschrieben. Er habe, so gibt er zu, vor Aufregung kaum fehlerfrei reden können: »Wortlose Scheu nämlich hinderte mich, […] weiterzureden.« Freimütig aber habe er dann bekannt, dass er nicht aus gehobenen Kreisen stamme und daher auch nicht mit Reichtümern gesegnet sei. Maecenas habe bei diesem Treffen nur wenig gesagt. Neun Monate lang ließ er den Dichter auf eine Antwort warten. Dann endlich lud er ihn auf seinen Landsitz ein und verkündete ihm, dass er nun zum Kreis seiner Freunde zähle. Wenig später, im Frühjahr 37 v. Chr., durfte Horaz, zusammen mit Vergil und anderen Kollegen, den großzügigen Gönner auf einer Reise auf der Via Appia von Rom nach Brindisi begleiten. Die nicht spektakulären, aber gerade in ihrer Alltäglichkeit so reizvollen Erlebnisse der Gruppe hat Horaz zum Thema eines eigenen Gedichtes gemacht.
›Jener nur ist Herr seiner selbst und lebt in Frieden, der jeden Tagen sagen kann: Ich habe gelebt.‹
Horaz
EIN SORGENFREIES LEBEN
Für Horaz war die Aufnahme in den literarischen Zirkel des Maecenas, wie auch für alle anderen durch diese Förderung ausgezeichneten Künstler, ein Glücksfall. Finanziell hatte er nun ausgesorgt, denn der wohlhabende Patron wollte nicht, dass sich seine literarischen Freunde mit normaler Arbeit abplagten. Auch sonst war er bemüht, seinen Schützlingen ein optimales, ihre Kreativität förderndes Arbeitsklima zu bieten. So schenkte er Horaz, vermutlich im Jahr 32 v. Chr., ein Landgut in den Sabiner Bergen, von dem noch heute Reste zu sehen sind. Dorthin konnte sich der Dichter, wenn er ungestört seinem künstlerischen Schaffen nachgehen wollte, zurückziehen. Wie wohl er sich auf seinem »Sabinum« fühlte, hat er immer wieder zum Ausdruck gebracht. Tatsächlich stellte das Anwesen mit Haus und Garten, einigen Äckern, einem Stück Wald und einer kühlen Quelle einen idyllischen Kontrast zum hektischen Großstadtleben dar. Außerdem ließ sich von den Erträgen des Gutes, das von fünf Pächtern bewirtschaftet wurde und auf dem für den Sohn eines ehemals Unfreien acht Sklaven tätig waren, recht gut leben. Die Dankbarkeit des Horaz kannte keine Grenzen. In seinen Werken hat er immer wieder die Großzügigkeit und Wohltätigkeit des reichen Freundes gepriesen. »Mein Hort und meine Freude im Leben« hat er ihn einmal genannt und dies auch ganz ernst gemeint.
DIE LITERARISCHE PRODUKTION
Die Freigebigkeit des Maecenas belohnte Horaz mit Fleiß und vor allem mit hoher künstlerischer Qualität. Er entwickelte eine immense literarische Aktivität, die ihn zu einem der prominentesten Schriftsteller seiner Zeit machte. Immer war es Maecenas, dem er als Erstem
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