Worte bewegen die Welt
genussvoll parodierend das Leben im augusteischen Rom um Perlen der Liebesdichtung bereichert hat. Doch begann nun eine zweite Phase im Schaffen des Ovid. Von der leicht frivolen, in allen Varianten behandelten Thematik der Liebe wandte er sich ab und widmete sich der »großen«, anspruchsvollen Dichtung, der er vor allem seinen Ruf als einer der bedeutendsten Schriftsteller der Antike verdankt. Dazu mag ihn die Erkenntnis bewogen haben, dass der Liebesstoff literarisch ausgereizt war. Er ahnte wohl auch, dass er mit seinen bisherigen Werken noch nicht die Anwartschaft auf einen ewigen Platz im Olymp der Dichter erworben hatte. Und vor allem hatte er die Zeichen der Zeit erkannt. Im Rom des Kaisers Augustus sollte die Kunst im Dienste der Monarchie stehen. Vergil und Horaz hatten dies begriffen. Sie huldigten dem Herrscher und priesen seine Verdienste um die moralische Erneuerung der römischen Gesellschaft. Dafür genossen sie die Freundschaft und die Sympathie des Kaisers.
DIE METAMORPHOSEN
Ovids Meisterwerk sind die während des ersten Jahrzehnts n. Chr. entstandenen »Metamorphosen«, eine Kette von Verwandlungssagen von der Erschaffung der Welt bis zur Gottwerdung des Kaisers Augustus. Die kulturgeschichtliche Bedeutung des in Hexametern verfassten, aus 15 Büchern bestehenden gewaltigen Epos ist so groß, dass es nach der Bibel die wichtigste literarische Quelle der bildenden Kunst Europas wurde. Mit Ovids »Metamorphosen« gelangte der griechische Mythos als Ganzes in die römische Literatur, wenngleich auch gegenüber Homer, einer seiner Quellen, unter weltlichen Gesichtspunkten bearbeitet.
Die 250 Sagen sind nicht durch eine Rahmenhandlung verbunden, die Klammer die sie zusammenhält ist das Leitmotiv der Verwandlung. Figuren wie Narciss, Iason und Medea, Dädalus und Ikarus, Orpheus und Eurydike, Pygmalion und viele andere haben Ovid eine nie nachlassende Wirkung verschafft, die im 11. Jahrhundert einen ersten, in Renaissance und Barock einen zweiten Höhepunkt erreichte.
Doch nicht nur die einzelnen Sagen erzählen von Verwandlungen, das Werk als Ganzes zeigt, wie aus der Welt als ursprünglichem Chaos die Ordnung des Augusteischen Imperiums entstanden ist. Das um 1581 entstandene Gemälde von Bartholomäus Spranger illustriert die Sage um »Salmakis und Hermaphroditos« aus Ovids »Metamorphosen«.
MESSALLA CORVINIUS
(* 64 V. CHR., † 13 N. CHR.)
Marcus Valerius Messalla Corvinius war ein literarisch hochgebildeter römischer Redner und zugleich ein einflussreicher Politiker. Er war mit Ovid befreundet und förderte ihn sowie andere literarische Talente.
Messalla hatte bei Philippi auf Seiten der Caesarmörder gestanden, sich dann Antonius und 36 v. Chr. Octavian, dem späteren Kaiser Augustus, angeschlossen, unter dem er gegen Sextus Pompeius und später bei Aktium mitkämpfte.
Er war 31 v. Chr. Konsul, triumphierte 27 v. Chr. über die Aquitanier und wurde im Jahr 26 v. Chr. erster Stadtpräfekt von Rom. 2 v. Chr. beantragte er für Augustus den Titel »Pater Patriae«.
So nahm nun auch Ovid zwei große Werke in Angriff, die scheinbar ganz im Einklang mit den Wünschen und Zielen des Augustus standen. Die zwischen 1 v. Chr. und 10 n. Chr. entstandenen »Metamorphosen« (»Verwandlungen«) präsentierten dem Publikum eine groß angelegte mythologische Weltgeschichte. In einem weit gespannten Bogen sind insgesamt 250 Verwandlungssagen aneinander gereiht. Sie beginnen mit den Zeitaltern der Götter und der Heroen und reichen über die mit dem Trojanischen Krieg einsetzende »historische« Zeit bis zum Höhepunkt der von Ovid hymnisch gefeierten Herrschaft des Augustus: Er ist »Vater« und »Lenker« der Welt und Stellvertreter Jupiters auf Erden. Kritische Leser konnten sich allerdings nicht des Eindrucks erwehren, der Dichter habe sich bei dem Lob auf Augustus nur einer Pflichtübung entledigt. Nicht eben als staatstragend war es aufzufassen, wenn Ovid in den »Metamorphosen« recht respektlos mit dem von Augustus besonders verehrten Gott Apollo umging. Und so ganz konnte der Dichter auch seine poetischen Wurzeln nicht verleugnen, wenn er in die erhabene Handlung immer wieder erotische Anspielungen einstreute.
Das zweite Werk aus dieser Phase, parallel zu den »Metamorphosen« entstanden, ist auch nur auf den ersten Blick eine Verbeugung vor der Politik des Augustus. Die »Fasti«, aufgrund der für Ovid so schicksalhaften Ereignisse der Folgezeit nur zur Hälfte fertig gestellt, beschrieben
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