Worte bewegen die Welt
in Versform den Kalender der römischen Festtage. Ausführlich schildert Ovid hier die alten Festbräuche und die mit ihnen verbundenen Sagen und Legenden. Äußerlich korrespondierend mit den Bestrebungen des Augustus, die römische Religion in ihrer traditionellen Form zum Fundament seiner Herrschaft zu machen, musste linientreue Römer doch die Respektlosigkeit des Ovid im Umgang mit geheiligten Traditionen irritieren. Und so konnte man im Kreis des Augustus nicht sicher sein, ob das auch in diesem Werk ausgiebig artikulierte Lob auf den Herrscher aufrichtig gemeint war.
ANGST VOR AUFRUHR
In der Stadt Rom waren Theater aus Stein bis in die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr., also bis kurz vor der Schaffenszeit Ovids, verboten. Als ein hoher Staatsbeamter 154 v. Chr. am Palatin einen solchen Bau errichten wollte, verhinderten konservative Senatoren sein Vorhaben und untersagten sogar eine Zeit lang die Errichtung von Sitzgerüsten.
Die Begründung, das Volk dürfe nicht verweichlicht werden, war nur vorgeschoben. Da schon das griechische Theater immer auch ein Ort politischer Aktivität gewesen war, fürchtete der Senat ähnliche Verhältnisse in Rom. Dort fanden politische Versammlungen auf dem Comitium, einem runden Platz nahe dem Forum, oder auf dem Forum selbst statt, wo die Menge stehen musste und deshalb selten lange ausharrte.
DIE VERBANNUNG
So mag also dem vom Publikum gefeierten Dichter Ovid der Ausflug in das ernste, aber eben doch nicht durchgängig ernst gemeinte und gestaltete Milieu der gehobenen Dichtung am Ende in den politisch einflussreichen Kreisen doch mehr geschadet haben als seine frühe Liebesdichtung. Jedenfalls kam es im Jahr 8 n. Chr. zu dem großen Bruch in der Karriere des Ovid, der seine letzte und subjektiv zweifellos schwerste Lebensphase einleitete. Kurz vor Abschluss der »Metamorphosen« und mitten in der Arbeit an den »Fasti« wurde er auf persönliche Anordnung des Augustus aus Rom verbannt. Als Exilort wurde ihm die Stadt Tomi am Schwarzen Meer, das heutige Konstanza, zugewiesen. Es mag für ihn dabei nur ein schwacher Trost gewesen sein, dass ihm die Verbannung in der milderen Variante der »relegatio« ausgesprochen wurde, wodurch er wenigstens im Besitz des Bürgerrechtes und seines Vermögens blieb. Bis heute ist es ein Rätsel, welche Verfehlung der Kaiser zum Anlass nahm, seine zweifellos schon lange vorhandene Aversion gegen den eigenwilligen Schriftsteller durch entsprechende Sanktionen zu ahnden. Ovid selbst hat sich dazu nur sehr ominös geäußert. Zum einen sollen es die Freizügigkeit der »Ars amatoria« gewesen sein, die von Augustus und seinen Sittenwächtern als eine Anleitung zum Ehebruch für verheiratete Römerinnen interpretiert wurde. Doch zum Zeitpunkt der Verbannung lag die Veröffentlichung dieses Werkes bereits sieben Jahre zurück. Ovid kennt noch einen zweiten Vorwurf, dem man ihm damals zur Last legte. Vage spricht er von einem »Irrtum«, der ihm unterlaufen sei. Vermutlich war der auch in der eigenen Lebensführung weltlichen Freuden nicht abgeneigte Dichter in einen Skandal um die jüngere Julia, die Enkelin des Augustus, verwikkelt.. Diese hatte wegen eines Lebenswandels, der nicht den strengen kaiserlichen Moralvorstellungen entsprach, im selben Jahr, 8 n. Chr., ebenfalls den Weg ins Exil antreten müssen.
DIE EXILDICHTUG
Gegen die Entscheidung gab es keinen Widerspruch. Der mittlerweile 50-jährige Schriftsteller musste die umtriebige Hauptstadt verlassen und gegen einen Ort an der äußersten Grenze des Reiches eintauschen. Untätig ist er am Schwarzen Meer jedoch nicht geblieben. Aus seiner dritten und letzten Lebensphase stammt eine umfassende und vollständig erhaltene literarische Produktion, in der es nicht mehr um die Liebe, nicht mehr um Verwandlungssagen und auch nicht mehr um den römischen Festkalender geht. Thema ist jetzt einzig und allein sein bedauernswertes Dasein als Verbannter am »Ende der Welt«, wie er es formulierte. Entstanden sind in dieser Zeit etwa 100 Elegien, verteilt auf zwei Bücher: zum einen die »Tristia« (»Trauergedichte«), zum anderen die »Epistulae ex Ponto« (»Briefe vom Schwarzen Meer«). Die Trauergedichte verfasste Ovid in den ersten vier Jahren seines Exils, die Briefe in der Zeit von 12 bis 17 n. Chr. In beiden Werken wendet er sich an bestimmte Personen. In den Trauergedichten bleiben diese allerdings anonym, während in den Briefen die römischen Adressaten namentlich genannt sind.
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