Worte bewegen die Welt
der Weisheit, die Nachtigall, sollte Luther zusätzlich in ein positives Licht rücken. Sachs zeigte sich hier überzeugt, dass die Wiederentdeckung des Evangeliums durch Luther die Möglichkeit eines neuen Menschen eröffnete. Doch bald bekam er die Schmähungen der »Rechtgläubigen« zu hören.
Als Antwort darauf veröffentlichte Sachs 1524 den ersten von vier Prosadialogen (»Disputation zwischen einem Chorherrn und einem Schuhmacher«), in dem ein Schuster die Kompetenz der Laien verteidigt, die Bibel zu lesen, und ihr Recht, das Verhalten der Geistlichkeit zu kritisieren. In diesen kurzen Dialogen werden Probleme der Reformation und der richtigen Lebensführung diskutiert, wobei Sachs daran lag, der städtischen Bevölkerung religiöse und weltliche Bildung nahe zu bringen und die Interessen des Handel treibenden Bürgertums durch die Propagierung von Frieden, Ordnung, Ehrbarkeit und Vernunft zu sichern.
Sachs wollte mit seinen Werken eine breite Wirkung erzielen. Er bediente sich deshalb vor 1550 meist des Flugblatts und der Flugschrift als Medien. Aber Sachs war kein Revolutionär; umstürzlerische Motive lagen ihm fern, denn ihm ging es einzig darum, die Botschaft des Evangeliums ernst zu nehmen. Als im April 1525 in den süddeutschen Ländern der Bauernkrieg ausbrach, ergriff Sachs Partei für die Bauern. Obwohl er Chaos und Anarchie verabscheute und er den Bauern nicht viel mehr als lediglich das Recht zubilligte, sich mit Bitten und Forderungen an die Herrschenden zu wenden, keinesfalls jedoch gewaltsam gegen sie zu kämpfen, prangerte er unter anderem in seinem Gedicht vom »armen gemeinen Esel« die Ursachen des Bauernkrieges an: die schlechten Lebensbedingungen der Bauern durch fürstliche Tyrannei.
DIE MEISTERLIEDER
In den Jahren 1526 und 1527 verfasste Sachs zahlreiche Meisterlieder, indem er Bibeltexte in Verse umformte und mit einer meist kurzen Auslegung versah. Der Nürnberger Meistersang erhielt durch diese aus dem evangelischen Glauben schöpfenden Meisterlieder eine neue Kraft. Auf Flugblättern polemisierte Sachs zudem gegen den Papst, was in jener Zeit mit erheblichen Risiken verbunden war, vom Rat der Stadt jedoch zunächst noch geduldet wurde.
Als er jedoch auf Bitten von Andreas Osiander, dem Prediger und Verfechter der Reformation in Nürnberg, Ende 1526 an einer Schrift über die Entwicklung und den Untergang des Papsttums mitarbeiten wollte, hatte Sachs die Geduld des Rates überstrapaziert. Er erhielt einen strengen Verweis, der einem Druckverbot gleichkam und ihn von da an zur Vorsicht zwang: Es erging die Anordnung, »dass er seines Handwerks und Schuhmachens warte, sich aber enthalte, einig Büchlein oder Reime hinfür ausgehn zu lassen«. Sachs gehorchte und befasste sich jetzt vor allem mit französischer, italienischer und antiker Literatur. Aber er schrieb auch weiterhin über das politische Geschehen – nun in der Form von Meisterliedern, Göttergesprächen und Traumvisionen. Diese Werke erschienen nicht im Druck, sondern zirkulierten handschriftlich unter Freunden und Bekannten. Erst nachdem Nürnberg 1530 die Augsburger Konfession und damit die grundlegenden Bekenntnisse der lutherischen Kirche angenommen hatte, wagte er es mit dem Gedicht »Ein lobspruch der statt Nürnberg« wieder, an die Öffentlichkeit zu treten. In gleichnishafter Einkleidung und in einem rein humanistischen Stil pries er seine Stadt und malte damit ein Idealbild, das wenig mit der Wirklichkeit zu tun hatte.
Von 1524 an war Sachs bis in die 1560er-Jahre hinein Leiter der Nürnberger Meistersingervereinigung, die damals etwa 350 Mitglieder zählte. Sachs schrieb über 4000 Meisterlieder, die er nach der Chronologie ihrer Entstehung in zwei Gruppen einteilte: Die erste enthält weltliche und religiöse (katholische) Lieder; nach der Pause, die er zwischen 1520 und 1523 eingelegt hatte, folgte die zweite Gruppe mit evangelisch ausgerichteten Kompositionen. Bereits in seinem ersten Meisterlied nach dieser Pause, »Das walt got«, zeichnete sich sein Engagement für die Reformation ab. Der Meistersang hatte bis dahin eine Zwischenstellung zwischen Volkslied und Minnesang – oder Ritterdichtung – besetzt, und Sachs trug nun dazu bei, eine neue Funktion des Meisterliedes zu finden: die Verbreitung und Verteidigung der Thesen Luthers und der Reformation.
DER MEISTERSANG
Die von den Meistersingern betriebene Liedkunst des Meistersangs des 15. und 16. Jahrhunderts hatte seine Vorläufer in den
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